MenschenReportagen

Portraits: Wir luden Landtagskandidaten ein, und es kamen Menschen

Im Winter entstand die Idee zum gemeinsamen Projekt: Britta Stricker vom Lemgo Guide schlug vor, die aus dem Raum Lemgo stammenden Kandidaten der Landtagswahl NRW ’22 den potentiellen Wählern im Gespräch etwas näher zu bringen. Bevor der Wahlkampf beginnt, und die Zeit der Parolen und Plakate. Im Februar und März trafen wir uns mit ihnen.

Warum?

Wir wollen sensibilisieren. Zur Wahl aufrufen. Im Vorfeld darum werben, dass es wichtig ist, sich mit den Kandidaten zu beschäftigen. Sich einen Überblick zu verschaffen. Es ist wichtig für unser Land. Für unser Leben. Für alles, was wir kritisieren und verändern wollen.

Es reicht nicht „dagegen“ zu sein. Wir müssen uns informieren. Eine Meinung bilden und zur Wahl gehen. Es geht uns alle an.

Warum können wir nicht darauf verzichten zur Landtagswahl zu gehen?

Hier wird Politik für unser Bundesland und damit auch für uns gemacht. Entscheidungen werden getroffen. Gehen wir nicht zur Wahl, haben wir keinen Einfluss genommen. Über „die da oben“ schimpfen, gilt also nicht. Nicht im Nachhinein. Es liegt in unserer Hand.

Warum haben wir uns für dieses Format der Vorstellung der Landtagskandidaten entschieden?

Wir wünschen uns, dass erkannt werden kann, welcher Kandidat uns als MENSCH vertreten könnte. Wer von den Kandidaten ist uns sympathisch, wer ist nahe an dem, was wir für richtig halten.

Wir beginnen. Er sagte sofort zu, als wir ihn fragten, ob er uns zu einem Kaffee treffen und sich unseren Fragen stellen würde.

Er kam, nahm Platz und öffnete sich...

Politikern wird oft vorgeworfen, dass sie kurz vor den Wahlen alles versprechen würden. Sie halten angeblich nichts ein von alldem. Also schieben wir erst einmal alles, was politische Statements angeht, beiseite.

Wir unterhalten uns mit dem Menschen. Mit dem Familienvater. Dem Ehemann. Dem Bräker und dem Lemgoer Bürger.

Was für ein Mensch steckt nun also hinter Kandidat Nummer 1 (die Reihenfolge ist willkürlich).

Alexander Baer – Der Mann von nebenan

Alex Baer. Sparkassenbetriebswirt. Verkäufer. In Brake geboren. Rundum ein freundlicher Geselle.

Er weiß, es gibt viel zu tun. Ein Sozialdemokrat durch und durch. Nah am Menschen. Mittendrin.

Was macht ihn aus? Er ist authentisch. Er ist bodenständig. Wenn jemand erzählt, dass er mit seiner Frau die Probleme bespricht und das am liebsten auf gemeinsamen Wanderungen, dann glauben wir ihm das. Ist es merkwürdig, dass Politik an der Theke gemacht wird? Nein, es war schon immer so. Es ist nur so, dass die wenigsten sich trauen darüber zu sprechen. Nah am Menschen bedeutet nah an ihren Bedürfnissen zu sein. Sich Zeit zu nehmen. Hinzuhören und wahrzunehmen. Was wollen wir als Wähler? Wir wollen Politker*Innen die sich um unsere Belange kümmern, die uns verstehen und einer aus unseren Reihen bleiben. Wo immer sie landen.

Marketing ist ein Instrument um an die Positionen zu kommen, an denen sich Entscheidungen anbahnen. Wo Lösungen kreiert werden. „Ja, alles ist Marketing und doch müssen wir schauen, was dahinter zu Tage kommt. Was bleibt.“ meint Alexander.

„Unpopuläre Dinge müssen gut erklärt werden, dann verstehen Menschen auch was geschieht und geschehen muss“ , sagt er.

Alexander glaubt, eine Diskussionskultur, geführt von Charakterköpfen ist wichtig und richtig. Politik muss menschennah werden. Alte, überholte Regeln müssen beseitigt werden und wir müssen lernen flexibel zu bleiben. Es gibt viel zu tun. Auf allen Ebenen. Und Umweltschutz ist eine Sache die in allen Parteien nicht nur angekommen ist, sondern gelebt und gefördert werden muss. Diese Frage stellt sich nicht mehr, sagt uns er uns.

Wer wählt Alex Baer? Vermutlich jeder, der ihn kennt. Vertrauen kommt durch das richtige Verhalten und die Offenheit Neuem gegenüber. Er ist bereit. Für alles und jeden.

Power aus Lemgo. So soll es sein.

Burkhard Pohl – Der immer Grüne

Es bleibt spannend sich mit Burkhard auseinanderzusetzen. Er weiß, was er will. Grüne Politik ist für ihn kein Trend. Er verfolgt diese seit Jahrzehnten. Im eigenen Leben lebt er all das vor, was er politisch fordert. Mehr Fahrrad. Mehr Elektro, wenn es ein Auto sein muss. Mehr Blumenwiese, weniger Steingärten. Dazu der menschliche Aspekt. Nicht nur über Willkommenskultur reden, sondern integrieren. Einem jungen Menschen mit Migrationshintergrund die Chance geben Fuß zu fassen. Und das erfolgreich. Burkhard stellt sich jeder Herausforderung. Auch wenn es manches Mal unbequem scheint, so scheut er sich nicht es anzugehen. Sein Motto „Kein Engagement ist keine Option.“.

Wir schauen einmal tiefer hin. Kommen ins Gespräch. Und da ist er, der freundliche, menschliche Sympathie-Typ, mit dem wir uns auch privat nette Abende vorstellen könnten. Spontan entsteht das Format „Triff den Kandidaten bei einer Wanderung im Lipperland“. Für ihn keine Frage, er wäre sofort dabei. Ja, er trägt auch Anzug, doch eine Wetterjacke ist für ihn sicher auch die richtige Alternative. Ob Grün sein immer noch das gleiche bedeutet wie es einst so verrufen war? Sicher nicht. Die Notwendigkeit einer grünen und sozialen Politik ist nicht mehr umstritten, doch das reale Leben ist im Mittelpunkt sehr wohl maßgebend und wird auch in den grünen Reihen gelebt. Wir sehen es gerade in dieser doch recht ungewöhnlichen, stürmischen Zeit. Da braucht es besonnene Köpfe, die das große Ziel nicht aus dem Auge verlieren.

Christiane Thiel – Die Heimatverbundene

Wir sitzen am gedeckten Frühstückstisch und merken recht schnell: Christiane Thiel ist ein politischer Mensch aus Überzeugung, durch und durch. Beim Einstieg ins Gespräch und Smalltalk über Lemgoer Themen zeigt sie sofort Flagge, herumeiern ist nicht ihr Ding. “Ich möchte nicht um jeden Preis ‘Everybodys Darling’ sein”, meint sie, verschmitzt dabei lächelnd. Sie steht zu ihren Überzeugungen und tritt dafür ein. Also ein lippischer Sturkopf? Keineswegs. Christiane möchte aber niemanden über ihre Einstellung und Überzeugungen im Unklaren lassen, natürlich hat sie trotzdem in ihrer langjährigen Laufbahn gelernt, kompromissbereit zu sein. 

Warum Politik? Im Sommer 1989, Christiane steht kurz vor ihrem 18. Geburtstag, steht die Jahrgangsstufen Abschlussfahrt an. Im Gegensatz zu den sonstigen Jahren steht diesmal nur Berlin als Ziel auf der Liste. Sie setzt sich mit aufwändigen Konzepten auch für andere Reiseziele ein, setzt sich letztendlich durch und fährt dann doch mit der Klasse nach Berlin. Angesprochen darauf, warum sie sich das Leben denn so schwer gemacht habe mit der Erarbeitung und Durchsetzung der Alternativvorschläge, antwortet sie: “Ich wollte eine Wahl haben.“

Schon als Kind versteht sie nicht, warum sie nicht durch das Brandenburger Tor auf die Ostseite gehen darf, die ersten niedergeknüppelten Demonstrationen im Ostteil Berlins erlebt sie dann auf der Klassenfahrt quasi live mit. Ein prägendes Erlebnis, sie beschließt:“Für Demokratie muss man einstehen und arbeiten.“ Sie tritt im gleichen Jahr in die CDU ein.

Seit 30 Jahren führt sie Touristen und Interessierte als Reiseleiterin durch Lemgo und Lippe, bringt ihnen die Geschichte, Menschen und Geschichten der Region näher. Sie fühlt sich wohl bei den Lemgoer Schützen und war sogar schon deren Königin. Im Gespräch mit anderen Menschen hört sie aufmerksam zu, versucht dann den gemeinsamen Nenner zu finden und zu überzeugen. Bleibt dabei aber – ein Modewort zwar, doch hier trifft es zu – authentisch. Sie ist überzeugt:“Die anstehenden gesellschaftlichen Aufgaben werden wir nur gemeinsam stemmen.“

Ein wenig sympathische lippische Sturheit hilft ihr gewiss beim Wahlkampf. Und vielleicht später im Landtag…

Nils Allersmeier – Der in die Menschen vertraut

Nils rutscht erst später in diese Portraitreihe. Auf Intervention einer Parteikollegin, warum denn er als Landtagskandidat des Wahlkreises Lippe II nicht interviewt wurde, antworten wir zuerst: weil er nicht in Lemgo wohnt. Wir gehen in uns, und entscheiden uns aus Gründen der Ausgewogenheit auch Nils Allermeier vorzustellen, zumal auch er Berührungspunkte mit Lemgo hat.

Als wir uns telefonisch zum Termin in Lemgo beim Eiscafé Venezia verabreden zögert er kurz:“ Oh, da gehe ich ja fremd, sonst hole ich mein Eis vom Hof Stock (in der Hengstheide, Anmerkung der Red.)“. Dem ersten Eindruck nach scheint er also eine treue Seele zu sein, beim Treffen dann wirkt er offen und beginnt bei einem Chai Tee sofort in das Gespräch einzusteigen.

Nach seinem Einstieg in die Politik befragt, erzählt er uns von ersten Begegnungen mit der Jungen Union und den JuSos, er wollte aktiv etwas in seinem Heimatdorf Wüsten ändern. Wohl gefühlt habe er sich aber letztendlich bei den Jungen Liberalen: „Ich hatte das Gefühl, dass es dort nicht so entscheidend ist, woher ich komme, sondern wohin ich möchte.“ Weiterhin habe im gefallen, dass die FDP erst einmal in die Selbstbestimmung des Menschen vertraue. Das Gestalten liegt ihm, als persönlicher Referent bei gestandenen Parteimitgliedern sammelt er erste Erfahrungen, auch in Düsseldorf. Der Kontakt mit Menschen macht ihm Freude, das merkt man ihm an und glaubt es ihm auch. Er möchte den Menschen in seiner Heimat Lippe ein zuverlässiger Ansprechpartner sein, er möchte der Gesellschaft etwas ‚zurück geben‘.

So trainiert er etwa ein Team von G-Junioren im Fußball. Das Ehrenamt liegt ihm am Herzen, dieses müsse dringend weiter gestützt werden. Er sieht im Ehrenamt einen Schlüssel zum konstruktiven gesellschaftlichen Umgang untereinander, immer wieder betont er:“ Wir müssen mehr miteinander sprechen, mehr zuhören!“ Er wäre gern ein Mittler zwischen ‚dem Bürger‘ und ‚der Politik‘. Im Gespräch habe ich das Gefühl, das Nils einerseits sehr rational argumentiert, andererseits aber auch sehr leidenschaftlich für seine Überzeugung eintritt. Nicht ganz einfach dabei, etwas Privates von ihm zu erfahren.

Welche Dinge oder Erlebnisse ihn tief berühren, frage ich. Erst antwortet er, dass die Arbeit an einem Entwurf zum Denkmalschutz toll gewesen sei und er bei seinen Fahrten mit dem Gravel-Bike durchs Lippische traurig die Landflucht beobachte. Auf meinen fragenden Blick schiebt er dann lächelnd nach: „Als meine Minis 2:0 beim Turnier gewonnen haben und so richtig happy waren…“

Geht doch.

Landtagswahlen beeinflussen unseren Alltag immens. Das Berufsleben, die Bildung, den Verkehr, Kultur, Sport und wie wir wohnen. Vermutlich wird kein Kandidat all unsere Wünsche und Bedürfnisse erfüllen können. Und doch haben wir eine Wahl. Nutzen wir sie.

Text und Fotos: Britta Stricker und Michael Pitt. Wir freuen uns über Reaktionen unter redaktion@mein-lemgo.de

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