LippePolitik

Lippische Bürgermeister verlangen Einsparungen vom Kreis, Axel Lehmann verlangt Rückkehr zur Sachlichkeit

Kurz vor Weihnachten knallt es noch einmal in der lippischen Politik: die lippischen Bürgermeister wollen im Januar die Zustimmung zum Haushaltsentwurf des Kreises Lippe verweigern. Grund ist die nach ihrer Meinung zu hohe Kreisumlage. Der Landrat solle doch bitte sparen, zum Beispiel bei den Personalkosten. Die Stellungnahme von Axel Lehmann ließ nicht lang auf sich warten, er erklärt darin die finanzielle Schieflage mit einer unzureichenden Finanzierung durch Land und Bund. Gegenseitige Vorhaltungen würden in der derzeitigen Situation niemanden weiterbringen.

Im folgenden veröffentlichen wir die Pressemitteilungen der Bürgermeister und vom Landrat im Wortlaut:

Pressemitteilung der lippischen Bürgermeister zur Forderung von Einsparungen beim Kreis

Die Stadt- und Gemeindeoberhäupter erwarten eine finanzpolitische Umkehr: Die Kreisumlage ist nicht mehr tragbar

Die Bürgermeister aller lippischen Städte und Gemeinden senden ein klares und geschlossenes Signal an den Kreis: Die aktuell für 2024 vorgesehene Höhe der Kreisumlage von 233 Millionen Euro und die Fortschreibung für die kommenden Jahre ist für die lippischen Städte und Gemeinden inakzeptabel und gefährdet die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Kommunen. Die Verwaltungschefs aller 16 Städte und Gemeinden beabsichtigen daher, in einer gemeinsamen Stellungnahme im Januar die Zustimmung zum Haushaltsentwurf des Kreises Lippe zu verweigern. Das hat es bisher noch nicht gegeben.

Alle Bürgermeister stehen zur gemeinsamen Verantwortung für die Finanzen der lippischen Kommunen und des Kreises. Sie verlangen dieses Verantwortungsbewusstsein aber auch von der Kreisspitze und dem Kreistag. Nachdem nun die Eckwerte für den Kreishaushalt 2024 bekannt gegeben sind, ist klar: Die Entwicklung für das kommende Jahr kann nicht einfach so hingenommen werden. Weitere Einsparungen in Millionenhöhe sind im Kreishaushalt absolut erforderlich. Dabei würdigen die Hauptverwaltungsbeamten ausdrücklich, dass der Kreis Lippe nicht allein durch sein Verschulden in eine wirtschaftliche Schieflage rutscht. Der Bund und das Land NRW müssen ihrer Verantwortung zur ausreichenden Finanzausstattung von Kreisen, Städten und Gemeinden nachkommen. Gegenwärtig ist die Situation der Haushalte geprägt von einer beispiellosen Ballung von Herausforderungen: stagnierende Steuereinnahmen, Zuweisungskürzungen, Inflation, die nicht ausreichend finanzierte Unterbringung Geflüchteter, stark steigende Aufwendungen für Personal und Sachkosten sowie stetig neue Erwartungen an Leistungen der Daseinsvorsorge ohne die ausreichende Gegenfinanzierung überfordern die Selbstverwaltung. Dies entbindet den Kreis Lippe jedoch nicht davon, sich selbst kritisch mit dem eigenen Haushalt auseinanderzusetzen und umlagesenkende Einsparungen zu erzielen.

Die lippischen Bürgermeister weisen unter anderem auf die übermäßige Steigerung der Personalkosten des Kreises Lippe hin, die sich in der Zeit von 2016 bis 2022 um mehr als 46 Prozent erhöht haben. Die übrigen Kreise in OWL – wie auch die lippischen Kommunen – haben deutlich niedrigere Personalkostenentwicklungen zu verzeichnen Auch die Steigerungsraten der Kosten für den Öffentlichen Personennahverkehr sind alarmierend und durch die Einführung von kostenlosen Schülertickets für alle Schülerinnen und Schüler an Kreisschulen weiter verschärft worden.

Die Städte und Gemeinden vermissen auf Seite des Kreises Lippe einen Einigungswillen. Dirk Becker, Sprecher der lippischen Bürgermeister: „Wir sind seit vielen Monaten im Gespräch, wir haben Vorschläge gemacht und versucht, Kompromisse zu schließen. Leider erleben wir auf der Seite des Kreises aktuell ein bloßes Festhalten an eigenen Standpunkten.“ Gerade dies war in der Vergangenheit oft anders. Extertals Bürgermeister Frank Meier: „Ein offenes Gespräch zwischen Kreis und Kommunen wie in den vergangenen Jahrzehnten hat in diesem Jahr nicht stattgefunden. Der Kreis hat seine Zahlen vorgestellt und seine Position und sie wie schon im vergangenen Jahr nicht mehr verlassen.“

Umlage in der Höhe nicht aufzufangen

Die lippischen Bürgermeister fordern unter anderem, dass der Kreis Lippe von den Steuerungsmöglichkeiten Gebrauch macht, die das Land NRW Städten, Gemeinden und Kreisen an die Hand gibt. So könnte der Kreis mit der Nutzung der sogenannten globalen Minderausgabe in Höhe von zwei Prozent des Haushaltsvolumens eine Verbesserung erreichen. Das bedeutet, dass die Ausgaben des Kreises pauschal um zwei Prozent gekürzt werden, es aber der Kreisverwaltung überlassen bleibt, die Kürzungen zu erwirtschaften. Damit sind nach Berechnungen der Bürgermeisterrunde rund 13 Millionen Euro Einsparungen zu erreichen; diese müsste dann den Städten und Gemeinden zugutekommen und mindernd der Kreisumlage angerechnet werden.

Der Kreis Lippe ist bereit, seine Ausgleichsrücklage im kommenden Jahr komplett zur Reduzierung der Kreisumlage einzusetzen. Dies ist aus Sicht der Städte und Gemeinden auch dringend geboten. Schließlich waren es die Städte und Gemeinden, die durch ihre Kreisumlage die Bildung der Ausgleichsrücklage in den vergangenen Jahren in der Höhe ermöglicht haben.

Die geplante Erhöhung der Kreisumlage ist für die Städte und Gemeinden in Lippe schon im kommenden Jahr nicht durch eigene Finanzmittel aufzufangen. Dies wird durch das Beispiel der Stadt Barntrup deutlich. Um die Steigerung der Kreisumlage von 2023 auf 2024 durch Mehreinnahmen finanzieren zu können, müsste in der Stadt Barntrup der Hebesatz für die Grundsteuer B von aktuell 550 Punkten um 300 Punkte auf 850 Punkte erhöht werden – eine Steigerung um 55 Prozent. Barntrups Bürgermeister Borris Ortmeier: „Dies ist unseren Bürgerinnen und Bürgern nicht vermittelbar und zeigt, dass die Städte und Gemeinden die Steigerungen nicht mehr auf Dauer stemmen können.“

Daher lautet die klare Botschaft Richtung Kreis: Sparen und konsolidieren und zwar mit direkten Auswirkungen auf eine geminderte Kreisumlage.

Kommunen nicht die Luft zum Atmen nehmen

Verwundert zeigen sich die lippischen Bürgermeister außerdem darüber, dass der Landrat jüngst in der Presse äußerte, dass ihm von keiner Stadt und Gemeinde in Lippe eine Einsparliste bekannt sei, wie er sie dem Kreistag vorgelegte habe. Dazu Detmolds Bürgermeister Frank Hilker: „In der jüngsten Vergangenheit ist unter anderem in der Stadt Detmold in einer fraktionsübergreifend getragenen Kraftanstrengung das Defizit allein im Haushalt 2024 in einer Größenordnung von 14 Millionen Euro reduziert worden.“ Außerdem weisen die Bürgermeister darauf hin, dass viele lippische Städte und Gemeinden bereits Haushaltssicherungskonzepte durchlaufen haben, die mit intensiven Ausgabenkritiken in den betreffenden Städten und Gemeinden einhergehen. Diese sind dem Kreis Lippe nicht nur bekannt, er hat diese in der Vergangenheit auch aktiv als Aufsichtsbehörde genehmigt.“

Genau diese zum Teil schmerzhaften und schwierigen Prozesse muss der Kreis nun selbst durchlaufen, um den Städten und Gemeinden in Lippe nicht die Luft zum Atmen zu nehmen. Hierbei sind alle Kreistagsfraktionen und der Landrat in der Pflicht, die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger nicht im Regen stehen zu lassen.

„Den Bürgermeistern ist es wichtig, gemeinsam an einer Lösung der enormen Herausforderungen der kommunalen Finanzen zu arbeiten. Dafür ist es aber unumgänglich, dass der Kreis Lippe wieder zu einem Miteinander aus vergangenen Jahren zurückkehrt und mit den Städten und Gemeinden auf Augenhöhe verhandelt und nicht stur auf eigene Standpunkte verharrt“, sagt Bad Salzuflens Stadtoberhaupt Dirk Tolkemitt.“


Landrat Dr. Axel Lehmann zur Pressemitteilung der lippischen Bürgermeister:

„Es ist nicht im Sinne der lippischen Bürgerinnen und Bürger, wenn wir uns als kommunale Familie mit gegenseitigen Schuldzuweisungen für eine Finanzmisere eindecken, die durch eine unzureichende Finanzierung durch Land und Bund ausgelöst ist. Ich fordere die lippischen Bürgermeister auf, wieder zur Sachlichkeit zurückzukehren und gemeinsam Bund und Land aufzufordern, wachsende Aufgaben der kommunalen Familie auch ausreichend gegen zu finanzieren.

Zur Sache: Der Kreis Lippe verzeichnet von 2023 auf 2024 ein Finanzloch von 60 Mio. Euro, vorwiegend aufgrund eines rasanten Anstiegs der Kosten für den Busverkehr, für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung und die durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Preis- und Lohnsteigerungen. Um dieses Loch zu schließen greift der Kreis zu den einzigen drei Instrumenten, die er hat.

Erstens: Wir nehmen Einsparungen im eigenen Haushalt vor. Zielmarke sind weitere sechs Millionen Euro, nachdem wir in den beiden Vorjahren schon sieben Millionen Euro eingespart haben. Dazu kommen weitere Einsparungen durch Personalbewirtschaftung von drei Mio. Euro. Der Vorwurf mangelnden Sparwillens geht also ins Leere – insbesondere auch deshalb, weil der Anteil freiwilliger Leistungen am Kreishaushalt deutlich unter 5 Prozent liegt. Die großen Brocken des Kreishaushaltes sind von uns nicht beeinflussbar, weil vom Gesetzgeber festgelegt. Insofern sind die Vorstellungen der Bürgermeister, welche Summen wir einsparen könnten, illusorisch.

Zweitens: Wir reduzieren unsere Ausgleichsrücklage mit dem neuen Haushalt auf Null. Unser Sparstrumpf ist damit leer. Die Ausgleichsrücklagen der Gemeinden summieren sich zurzeit noch auf über 180 Mio. Euro und die Kämmerer haben unisono in den vergangenen Wochen verkündet, damit könnten sie bis 2027 wirtschaften.

Drittens: Wir müssen die Kreisumlage erhöhen, weil wir keine eigenen Steuereinnahmen haben und uns über diese Umlage refinanzieren müssen. Die Erhöhung der Umlage von 207,5 auf 232,9 Mio. Euro ist fraglos ein „Schluck aus der Pulle“, aber in dieser Krisensituation unumgänglich.

Unredlich ist es, den angeblich fehlenden Sparwillen des Kreises an den Personalkostensteigerungen von 2016 bis 2022 festzumachen. Ein Teil dieser Kostensteigerungen erklärt sich durch die Tarifsteigerungen über diesen Zeitraum. Vor allem aber war der Kreis Lippe gezwungen, die rettungsdienstliche Versorgung zuerst vom Roten Kreuz und dann in Teilen von der Johanniter-Unfall-Hilfe zu übernehmen, die sich nicht mehr in der Lage sahen, diese Aufgabe zu erfüllen. Dahinter stecken deutlich mehr als 100 Stellen im Rettungsdienst, die im Übrigen komplett durch die Krankenkassen und nicht über die Kreisumlage refinanziert werden. Ähnlich stellt sich der ebenfalls weitgehend refinanzierte Stellenaufbau im Zuge der Coronabekämpfung im Gesundheitsamt dar. Mit dem Ende der Pandemie, werden wir im 2024er Haushalt die Stellen dort auch wieder reduzieren. Bei alledem ist den Bürgermeistern bekannt, dass ohnehin fast die Hälfte aller Stellen des Kreises Lippe durch den Bund, durch Krankenkassen oder durch andere Kostenträger refinanziert werden.

Den Vorwurf mangelnder Kompromisswilligkeit auf Seiten des Kreises weise ich entschieden zurück. Der Gesetzgeber sieht lediglich vor, dass Kreise sechs Wochen vor Haushaltseinbringung die Kommunen über die Haushaltsplanung informieren und ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme eröffnen, bevor der Kreistag den Haushalt beschließt. Im Sinne einer guten Kooperation mit unseren Kommunen haben wir auch 2023 freiwillig in drei Runden seit Sommer mit vier Bürgermeistern und vier Kämmerinnen und Kämmerern die Kreisumlage diskutiert. Wir hatten ursprünglich eine Kreisumlage von 240 Mio. Euro angestrebt, um die Ausgleichsrücklage nicht auf Null fahren zu müssen. Das hätte Reserven für 2025 ergeben, die wir eigentlich dringend nötig hätten. In der Diskussion haben wir dann auf Drängen der Städte und Gemeinden als Kompromiss eine Umlagenhöhe von 233 Mio. Euro bei völligem Abschmelzen der Rücklage angeboten. Dieser Kompromiss ist in der Bürgermeisterrunde abgelehnt worden. Die Aussage, ein offenes Gespräch zwischen Kommunen und Kreis habe es nicht gegeben, ist also definitiv falsch.

Ich hoffe, mit diesen inhaltlichen Klarstellungen zu einer Versachlichung künftiger Debatten in der kommunalen Familie in Lippe beizutragen. Wir müssen angesichts der wohl heftigsten Finanzkrise der öffentlichen Hand in der deutschen Nachkriegsgeschichte alle den Kopf über Wasser halten – Kommunen und Kreis. Gegenseitige Vorwürfe werden dabei nicht helfen!“

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