LippePolitik

Die Bürgermeister der 16 lippischen Kommunen versagen das Einvernehmen zur Festsetzung der Kreisumlage!

In einem Brief an Landrat Axel Lehmann verweigern die Oberhäupter der lippischen Kommunen gemeinsam und parteiübergreifend die Zustimmung zur Festsetzung der Kreisumlage in ihrer jetzigen Fassung um „zu verhindern, dass die lippischen Städte und Gemeinden reihenweise in die Haushaltssicherung geraten“. Moniert werden in dem Schreiben in erster Linie die mangelnde Gesprächs- und Kompromissbereitschaft von Landrat und Kreis sowie der mangelnde Willen zum Sparen, beispielsweise bei den Personalkosten. Hier folgt die Stellungnahme der Bürgermeister im Wortlaut:

„Sehr geehrter Herr Landrat,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
der Arbeitskreis Kreisumlage hat in seiner letzten Sitzung am 22. September 2023 über eine Kreisumlage in Höhe der jetzt vom Kreis eingeplanten 233 Millionen Euro beraten. Dies war jedoch lediglich ein Zwischenstand, über den in zwei weiteren geplanten Arbeitskreisterminen weiter beraten werden sollte. Diese weiteren Beratungen haben nicht mehr stattgefunden.

Die Forderung der Städte und Gemeinden ist, dass der Kreis alles in seiner Macht Stehende zu unternehmen hat, um zu verhindern, dass die lippischen Städte und Gemeinden reihenweise in die Haushaltssicherung geraten. Demnach sollte – und das ist auch eingehalten worden – die Ausgleichsrücklage vollständig aufgebraucht werden sowie die allgemeine Rücklage in der rechtlich möglichen Höhe von bis zu 4,5 Millionen Euro eingesetzt werden. Auf eine Entnahme aus der allgemeinen Rücklage kann aus Sicht der Städte und Gemeinden nur dann verzichtet werden, wenn zusätzliche Einsparungen beim Kreis in vergleichbarer Höhe erfolgen, so dass die Kreisumlage damit auf einen Betrag von rund 226 bis 228 Millionen Euro absinkt.
Die Entnahme aus der allgemeinen Rücklage war in der Sitzung des Arbeitskreises im September mit dem Landrat nicht einigungsfähig und damit offen. Alternativvorschläge vom Kreis gibt es uns gegenüber bislang nicht.

Im Arbeitskreis war ein grundsätzlicher Verständigungswille aller Beteiligten dahingehend vorhanden, dass alle Haushaltsverbesserungen beim Kreis, die sich durch geringere Ausgaben oder zusätzliche Einnahmen durch Dritte (LWL/Bund/Land) ergeben sich unmittelbar entlastend auf die Kreisumlage auswirken. Aktuell sind aber weder die für 2024 geringer als geplante Besoldungserhöhung noch die reduzierte LWL-Umlage berücksichtigt.

Nach dem Beschluss der Landschaftsversammlung vom 21.12.2023 wird die Landschaftsumlage 17,35 v.H. anstatt 17,55 v.H. betragen und damit um rd. 0,2 % geringer ausfallen als bisher im Haushaltsentwurf enthalten. Für den Kreis Lippe wird sich dadurch die Belastung um rd. 1,5 bis 2 Mio. EUR reduzieren.
Der Entwurf der Landesregierung des „Gesetzes über die Gewährung von Sonderzahlungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise in den Jahren 2023 und 2024 für NRW“ sieht in § 3 für das Jahr 2024 für die Beamtinnen und Beamten von Januar bis Oktober 2024 monatliche Sonderzahlungen von 120 EUR vor. Für die Monate November und Dezember 2024 wird mit einer Übertragung des Tarifvertrages gerechnet, was Einmalzahlungen von jeweils 200 EUR bedeuten würde. Unter dem Strich wird die Gesamterhöhung 2024 damit wesentlich unter der vom Kreis kalkulierten 5% Besoldungserhöhung lie-gen, was zu einer Senkung der Haushaltsansätze 2024 führen muss.
Beide Sachverhalte sind noch zwingend umlagemindernd zu berücksichtigen.
Nach dem vorgenannten Gesetzentwurf zu den Sonderzahlungen sollen an die Beamtinnen und Beamten gemäß § 2 Abs. 3 für das Jahr 2023 einmalige Sonderzahlungen von je 1.800 EUR erfolgen. Auch wenn diese erst im Kalenderjahr 2024 ausgezahlt werden, sind sie dem Haushaltsjahr 2023 zuzuordnen und gemäß NKF-CUIG NRW im Jahresabschluss 2023 zu isolieren, wodurch die Ausgleichsrücklage sich erhöht und ebenfalls zur Absenkung der Kreisumlage genutzt werden kann.
Erlauben Sie an dieser Stelle noch einen objektiven Hinweis auf die Höhe der Personalkosten des Kreises Lippe. Bei einer sachlichen Gegenüberstellung der festgestellten tatsächlichen Rechnungsergebnisse der Personalkosten der Kreise in OWL sowie der lippischen Kommunen der Jahre 2016 bis 2021 fällt auf, dass die Personalkosten des Kreises Lippe mit 37,17 Prozent erheblich stärker angestiegen sind als die Bandbreite der anderen Organisationen, die sich zwischen 16 und 28 Prozent bewegt. Hieraus ergibt sich ein weiterer deutlicher Handlungsauftrag an die zu erfolgenden Konsolidierungserfordernisse im Kreishaushalt.
Weiterhin wurde im Nachgang der letzten Sitzung des Arbeitskreises bekannt, dass das Land Nordrhein-Westfalen eine Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften plant, worüber die Ministerin die Hauptverwaltungsbeamten am 7. November 2023 in einer Videokonferenz informiert hat. Eine der vorgetragenen Änderungen sieht vor, dass die Möglichkeit, einen globalen Minderaufwand ohne konkrete Benennung einzuplanen, von 1 auf 2 Prozent des Budgetvolumens angehoben wird. Hierdurch erhalten Kämmerinnen und Kämmerer die Möglichkeit, künftig 2 Prozent des Gesamtvolumens als Einsparpotential in die Planung aufzunehmen ohne dies bereits bei der Planung konkret Haushaltspo-sitionen zuordnen zu müssen.

Die Umsetzung erfolgt erst im Haushaltsvollzug. Hierdurch erhalten Kämmerinnen und Kämmerer die Möglichkeit, entsprechend der tatsächlichen Entwicklungen im Haushaltsjahr diese zusätzlichen Minderaufwendungen praxisnah zu vollziehen. Begründet wird dies durch die Landesregierung auch damit, dass die Jahresabschlüsse oftmals besser ausfallen als bei der Haushaltsplanung er-wartet.
Auf Basis dieser geplanten Änderung haben die Bürgermeister dem Landrat vorgeschlagen, von dieser erweiterten Möglichkeit der globalen Minderausgabe in Höhe von zusätzlich 1 Prozent Gebrauch zu machen. Hierdurch hätte ein Be-trag von rund 6 Millionen Euro als zusätzlicher globaler Minderaufwand im Kreishaushalt berücksichtigt werden können. Alleine dadurch hätte sich der Betrag der Kreisumlage auf 227 Millionen Euro reduzieren lassen, ohne dass der Kämmerer gezwungen gewesen wäre, bereits bei der Haushaltsaufstellung Positionen haushaltsscharf zu benennen.

Bedauerlicherweise hat der Landrat über diesen Vorschlag der Bürgermeister im Arbeitskreis nicht mehr diskutieren lassen und zu keiner weiteren Sitzung eingeladen, sondern dem Sprecher der Bürgermeister kurz vor Einbringung der Eckdaten in den Kreisausschuss per Mail mitgeteilt, dass der Vorschlag der Bürgermeister im Kreishaushalt nicht darstellbar sei. Die Städte und Gemein-den haben erwartet, dass über den Vorschlag zumindest in der ursprünglich noch vorgesehenen Arbeitskreissitzung diskutiert wird. Der Abbruch der Ge-spräche ist in dieser schwierigen Zeit nicht zielführend. Die Städte und Gemein-den erwarten daher eine nochmalige vertiefte Prüfung und Anwendung dieser haushaltsrechtlichen Möglichkeit.

Leider wurde es auch versäumt, beim Haushalt des LWL eine höhere Senkung der Landschaftsumlage zu erwirken, die durch diese haushaltsrechtlichen Möglichkeiten und die Besoldungsänderungen im Beamtenbereich möglich gewesen wären. Inwieweit der Kreis Lippe diese die Kommunalfinanzen belastende Versäumnisse nachholen kann, ist von dort zu prüfen.
Seitens des Kreises Lippe wird regelmäßig darauf abgestellt, dass die lippischen Städte und Gemeinden noch über eine kumulierte Ausgleichsrücklage von 180 Millionen Euro in Summe verfügen. Hierbei ist zu beachten, dass sich die Höhe der jeweiligen Ausgleichsrücklage völlig heterogen darstellt und ein Summenvergleich Kreis/Gemeinden kaum Aufschluss über die finanzielle Leistungsfähigkeit der einzelnen Kommunen aussagt und daher wenig aussagekräftig ist.

Hinzu kommen noch Effekte aus den Isolierungsmöglichkeiten, die zwingend bei der Gesamtbetrachtung berücksichtigt werden müssen. Aus Sicht der Bürgermeister muss aufgrund der Zinswende zwingend der Fokus auf die Liquidität gelegt werden. Die zukünftige Aufnahme von Liquiditätskrediten beinhaltet hier-bei erhebliche finanzielle Risiken für kommende Haushalte und engt die Spiel-räume weiter ein. Es sollte klares strategisches Ziel der gesamten kommunalen lippischen Familie sein, die Aufnahme von Liquiditätskrediten möglichst zu vermeiden und nur in Ausnahmefällen auf dieses Instrument zurückzugreifen. Sonst drohen strukturelle Defizite durch stark gestiegene Finanzierungskosten.
Der Kreis Lippe hat in der Vergangenheit und in der Gegenwart zahlreiche Fördervorhaben umgesetzt oder befindet sich in der Umsetzung. Hierbei sind auch mehrere Förderungen von Personalstellen inbegriffen bei denen jeweils Eigenanteile im Rahmen der Finanzierung der Projekte zu erbringen sind. Die lippischen Städte und Gemeinden weisen mit Blick auf die Stellenentwicklung des Kreises Lippe daher besonders daraufhin, dass die Eigenanteile auch mit Mitteln der Kreisumlage überhaupt nur erbracht bzw. aktiviert werden konnten. Die bloße Betrachtung der Kostenträgerstruktur ist also differenzierter zu beurteilen.
Unabhängig von der Situation einzelner Städte und Gemeinden und deren Ausgleichsrücklagen hat der Kreis bei seiner Haushaltsplanung darauf zu achten, Städte und Gemeinden tatsächlich nur in dem Maße zu belasten, wie es seine Aufgabenwahrnehmung zwingend erfordert und eigene Finanzierungsmöglich-keiten nicht gegeben sind. Darüber hinaus gehende Belastungen der Städte und Gemeinden über die Kreisumlage, z.B. aus nicht kostendeckenden Gebührenhaushalten, sind daher unzulässig.
Nach Auffassung der lippischen Städte und Gemeinden nutzt der Kreis Lippe die in diesem Schreiben aufgezeigten, tatsächlich vorhandenen Möglichkeiten für eine deutlich moderatere Steigerung der Kreisumlage nicht aus. Die Ausnutzung dieser Möglichkeiten ist allerdings zwingend erforderlich, um die Handlungsfähigkeit der gesamten kommunalen Familie im Kreis Lippe zu erhalten.
Da es hierzu aber weder abschließende Gespräche im Arbeitskreis, noch zwischen dem Landrat und den Bürgermeistern gegeben hat, obwohl die dargestellten Spielräume bestehen, versagen die lippischen Städte und Gemeinden das Einvernehmen zur Festsetzung der Kreisumlage.

Wunsch und Erwartungshaltung der Kommunen ist es, dass der Kreis Lippe wieder auf Augenhöhe mit den Städten und Gemeinden in für alle Seiten schwierigen Zeiten agiert. Hierzu ist es unerlässlich, dass der Kreis die Gespräche mit den Städten und Gemeinden wieder aufnimmt, sich den Argumenten stellt, um gemeinsam eine geringere Belastung der Städte und Gemeinden zu erreichen ohne dass der Kreis hierdurch bei der Erledigung seiner Aufgaben stärker konsolidieren muss als es die Städte und Gemeinden bereits getan haben oder aktuell tun.
Uns ist es bewusst, dass es in unserer Demokratie alleine in die Souveränität des Kreistages fällt den Kreishaushalt zu beraten und abschließend auch über die Belastung der Städte und Gemeinden durch die Kreisumlage zu entscheiden. Hierzu können weder Landrat noch ein Arbeitskreis Entscheidungen vorwegnehmen oder vorgeben.

Bisher war es aber sowohl für den Kreis, als auch für die Städte und Gemeinden gut und erfolgreich, wenn beide Seiten sich aufeinander zubewegt haben und dem Kreistag eine gemeinsame Empfehlung vorgelegt haben. Die Art und Weise des diesjährigen Gesprächsverlaufes ist einmalig und darf sich nicht wiederholen. Wir bekräftigen ausdrücklich unseren Wunsch nach einer konsensualen Lösung und einer Weiterführung eines verlässlichen Berechnungsmodells wie es lange Jahre erfolgreich war, möglichst über 2 bis 3 Jahre, um so allen Beteiligten -soweit möglich- Planungssicherheit zu geben und das jährliche Rin-gen durch planbare Verlässlichkeit zu ersetzen. Das haben wir in der Vergangenheit geschafft und hierfür ist es auch jetzt noch nicht zu spät!
Daher appellieren wir an die Kreistagsmitglieder die Sorgen der Städte und Gemeinden im Kreis Lippe bezüglich ihrer Handlungsfähigkeit ernst zu nehmen und unsere Vorschläge zur Reduzierung der Kreisumlage bei den Beratungen zu prüfen bzw. zu berücksichtigen. Der LWL und andere Kreise haben das vorgemacht.
Für weitere Gespräche stehen wir jederzeit zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen“

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