Auftakt der Erzählwerkstatt Kneipenkultur – Bewegende Schilderungen ehemaliger Dörentruper Wirtinnen und Wirte
Dörentrup, 10.02.2025. Mit dem Song „Die kleine Kneipe in unserer Straße“ hat Peter Alexander diesem Kulturort ein würdiges musikalisches Denkmal gesetzt. Mit der „Erzählwerkstatt Kneipenkultur in Nordlippe“ will das „Kulturstellwerk Nordlippe“ dieses Jahr viele Erinnerungen an eine Kultureinrichtung auffrischen, die in den letzten Jahren immer mehr aus dem öffentlichen Leben verdrängt wird. Jeden Monat findet dieses Jahr in den vier nordlippischen Kommunen ein Treffen zum Thema „Kneipenkultur“ statt. Die Eröffnungsveranstaltung der Reihe fand am 28. Januar mit 45 Teilnehmenden im Bürgerhaus Dörentrup statt.




Jochen Brunsiek und Jürgen Scheffler konnten – wie schon bei den ersten beiden Erzählwerkstätten zu den Themen „Eisenbahn im Begatal“ und „Industrialisierung im Begatal“ – gründliche Basisarbeit präsentieren mit einer allgemeinen Einführung in die geschichtliche Entwicklung und aktuelle Problematik. Friedo Petig sorgte mit gereimten eigenen Kindheitserinnerungen für eine lockere, entspannte Atmosphäre, in der die ehemalige Dörentruper Wirtin Ursula Rohde und ihre Kollegen Dieter Blattgerste und Gerd Kruse mit ihren bewegenden Schilderungen des Kneipenalltags hinter die Kulissen des Kneipenlebens blicken ließen.
Die Kneipe als Mittelpunkt des Dorfes
Aller guten Dinge sind drei. So gab es auch in jedem Dorf drei Zentren: Kirche, Sportplatz, Kneipe. Folgerichtig stand die Kneipe früher auch oft direkt neben der Kirche (wie in Bega oder Hillentrup) oder dem Sportplatz (wie in Humfeld). Die Stellung der Kneipe als Dorfmittelpunkt der Kneipe wurde oft dadurch hervorgehoben, dass meist eine Bäckerei, ein Kolonialwarengeschäft, ein Lebensmittelladen oder ein Bauernhof (zur Erzeugung von Milch, Eiern, Fleisch und zur Verwertung der Küchenrückstände) angeschlossen waren. Waren sonntagmorgens die Sünden in der Kirche gebeichtet worden, durfte man sich auf dem Heimweg vor dem Mittagessen in der Kneipe noch ein – nicht selten alkoholisches – Belohnungsgetränk mit „reinem Gewissen“ genehmigen. War die heimische Fußballmannschaft erfolgreich zum 2:1-Derbysieg angefeuert worden, mussten die Stimmbänder auf dem Rückweg vom Sportplatz natürlich in der Kneipe mit einem Getränk wieder abgekühlt werden.
Ein Saal musste her – und eigenes Personal
Das Essen in der „Vereinskneipe“ war aber auch immer der Stimmungsaufheller nach der Jahreshauptversammlung von Schützenverein oder Zieglerverein, nach der Chorprobe des Männergesangvereins oder der Trainingseinheit der Altherren-Fußballmannschaft. Für größere Familienfeiern reichte die „Wirtstube“ selbstverständlich räumlich nicht aus. Darum hatten viele Gaststätten einen größeren Saal angebaut. Davon wusste auch Ursula Rohde zu berichten, die bis 1990 zusammen mit Ihrem Mann Wilfried den „Krug zum grünen Kranze“ in Spork bewirtschaftet hatte. Anfangs war es noch üblich, dass die Gäste ihre eigenen Bedienungen – Familienangehörige und Bekannte – mitbrachten. Dann gab es den Wunsch nach einem Full-Service und Familie Rohde musste sich nach eigenem Personal, also Hilfe aus der Nachbarschaft, für die Bewirtung von bis zu 120 Gästen umsehen.
Verschwiegenheit ist erste Kneiperpflicht
„Das Wichtigste eines Wirtes ist seine Verschwiegenheit“, den nachhaltigsten Satz der Auftaktveranstaltung formulierte Gerd Kruse, zuletzt Wirt seines „Bürgerkellers“ in Schwelentrup. Wenn ein Gast keinen Drang hatte, nach Hause zu gehen, dann wusste Gerd Kruse genau, was notwendig war. Der Stammgast brauchte in seiner Stammkneipe ein Einzelgespräch mit der Person seines Vertrauens – also dem Wirt. Dann hörte Gerd Kruse Probleme, die er auch nicht lösen konnte, aber darüber sprechen zu können, war meist schon eine wichtige Hilfe. Er beschrieb auch die Gaststätte als Familienunternehmen, alle Familienmitglieder waren eingebunden, die nächste Generation musste automatisch die Kneipe weiterführen. Das konnte auch Dieter Blattgerste aus Spork („Zur Krone“) eindrucksvoll schildern.
Am 25. Februar geht es in den Humfelder Reiterstuben weiter
Es gibt ein kontinuierliches Kneipensterben. Zwischen 2006 und 2023 wurden in NRW laut WDR ca. 8.000 Wirtschaften geschlossen. Das bedeutet einen Rückgang von 42 Prozent. Ganz ohne Dorfkneipe – da fehlt doch was. Oder? Welche Maßnahmen können ein Aufblühen der Kneipenkultur erzeugen? Die Fragen nach der Zukunft unserer Dorfkneipen bilden einen roten Faden für die nächsten Treffen. Genügend Gesprächsstoff für die kommenden Erzählwerkstätten gibt es jedenfalls. Weiter geht es am Dienstag, den 25. Februar um 18 Uhr in den „Humfelder Reiterstuben“. Die Teilnahme ist kostenlos. Anmeldung und weitere Informationen: www.kulturstellwerk-nordlippe.de
Die Erzählwerkstatt Kneipenkultur in Nordlippe wird veranstaltet durch das Kulturstellwerk Nordlippe, ein Projekt des Landesverbandes Lippe. Kooperationspartner sind die Volkshochschulen Detmold-Lemgo und Lippe-Ost, der Lippische Heimatbund, Marketing Extertal e.V. und weitere nordlippische Heimatvereine.
Text: Kulturstellwerk Nordlippe



