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Markus Baier: Photovoltaik in der Historischen Altstadt – worum geht es bei der Diskussion?

Der Politiker Markus Baier äußert sich zur abgelehnten Vorlage betreff der Änderung der Gestaltungssatzung im Rat

Die Abstimmung über die Änderung der Gestaltungssatzung im Rat am vergangenen Montag hat Staub aufgewirbelt. Ein sicher geglaubter Antrag von SPD, Grüne, BfL und EsL war überraschend doch nicht beschlossen worden. (Info hier: Antrag, Beschlussvorlage und bisheriges Abstimmungsverhalten) Für einige Bürger, gerade im Innenstadtbereich, sorgte der abgelehnte Antrag für Irritationen. Die SPD veröffentlichte eine kritische Stellungnahme. Der Politiker Markus Baier äußert sich zum Sachverhalt wie folgt:

Worum ging es im Stadtentwicklungsausschuss und Rat?

SPD, Grüne, BfL und EsL hatten beantragt, den Abstand vom Dachrand komplett zu streichen. Damit wären Photovoltaikanlagen, auch auf historischen Häusern und städtebaulich sensiblen Stellen, überall in jeder Form möglich gewesen. Dieser erste Antrag konnte formal und rechtlich nicht 1:1 beschlossen werden. Die Verwaltung hat dann einen „richtigen“ Satzungstext vorgeschlagen, der auch praxistauglich gewesen wäre. Gleichzeitig sind Klimaschutz und Denkmalpflege in unserem besonderen Stadtkern gegeneinander abzuwägende Belange, es muss ein Ausgleich hergestellt werden. Auch das wurde im Verwaltungsvorschlag berücksichtigt. Der Verwaltungsvorschlag wurde von der Politik mit oben genannter Mehrheit hinterher wieder verschärft, so dass wieder mehr zugelassen war. Besonders betrübt darüber war die ehrenamtliche Denkmalpflege, deren umfangreiche und fundierte Stellungnahme leider nicht politisch gewürdigt wurde. Auch die Stellungnahme des Landschaftsverbandes Westfalen Lippe, die Obere Denkmalbehörde, wurde nicht gewürdigt.

Wie wurde abgestimmt?

Der Stadtentwicklungsausschuss empfahl mehrheitlich die o.g. „verschärfte Fassung“ des Verwaltungsvorschlages. Der Hauptausschuss bestätigte diese mit den Stimmen der ursprünglichen Antragsteller. Die anderen Parteien und der Bürgermeister haben nicht dafür gestimmt. Ich persönlich, da ich die Abwägung im letzten Vorschlag nicht mehr ausgewogen fand. Im Rat der Stadt, der eine Satzung immer beschließen muss, kam es dann anders. Hier konnten die ursprünglichen Antragsteller keine Mehrheit mehr zusammen bekommen. Ein Grund war, dass von den ursprünglichen Antragstellern besonders viele Ratsmitglieder nicht zur Sitzung erschienen sind. Dennoch hätte man eine Mehrheit gehabt. Der zweite Grund war, dass einer dieser Gruppe im Rat gegen die Satzung gestimmt hat. Die Mehrheit, die man mit den Anwesenden (und nicht befangenen Mitglieder, siehe nächster Punkt) gehabt hätte, hat man also selbst nicht genutzt. Die anderen Parteien – wenig überraschend – sind ebenfalls ihrer politischen Linie treu geblieben und haben gegen den „verschärften“ Antrag gestimmt. Die Stimme des Bürgermeisters – ich hatte mich schon im Hauptausschuss politisch erklärt, dass ich die Satzung so im historischen Stadtkern nicht gut finde und mich dort enthalten – war hier nicht ausschlaggebend, denn auch bei einer Enthaltung wie im Hauptausschuss wäre der Beschluss bei Stimmengleichheit als abgelehnt gezählt worden.

Und wie war das mit der Befangenheit?

Für alle städtischen Ausschüsse und den Rat gelten die Befangenheitsregeln der Gemeindeordnung. Wenn ein Mitglied oder seine nahe Verwandtschaft einen wirtschaftlichen Vorteil bei einer Satzung, die individuelle Grundstücke betrifft hat, darf er nicht mitberaten und nicht mitstimmen. Diese Regelung ist auch wichtig, damit wir Ratsmitglieder uns nicht dem Vorwurf der Klüngelei gefallen lassen müssen. Das war hier bei vier Mitgliedern der ursprünglichen Antragsteller und bei drei Mitgliedern der anderen Parteien der Fall, die sich vorschriftsmäßig und mit Anstand bei dem Tagesordnungspunkt zurückgezogen haben. Die absolute Mehrheit hätte diese eine Stimme Unterschied jedoch nicht zu Fall gebracht.

Und was war das mit der Vertagung?

Der Fraktionsvorsitzende der BfL hatte einen Vertagungsantrag gestellt, da er befürchtete, aufgrund der vielen fehlenden Ausschussmitglieder in den eigenen Reihen der ursprünglichen Antragsteller, dass die Satzung nicht beschlossen wird. Dieser Vertagungsantrag scheiterte im Grunde am Stimmverhalten der Grünen, da sich dort drei Mitglieder inklusive des Fraktionsvorsitzenden enthielten. Es musste also danach über die Satzung abgestimmt werden.

Aber Klimaschutz ist doch so wichtig?

Klimaschutz ist sogar sehr wichtig. Wir haben in Lemgo ein besonders ambitioniertes Klimaschutzkonzept, das mit einer sehr breiten Mehrheit beschlossen wurde. Da von der Gestaltungssatzung nur wenige Häuser betroffen wären (es muss Dachausrichtung und Statik stimmen, die Denkmale haben ohnehin Sonderregelungen) und von den riesigen Mengen erneuerbare Energie nur ein minimaler Bruchteil zusätzlich erzeugt hätte werden können, ist der Beitrag aber sehr gering. Denkmalschutz ist daneben auch wichtig. Dies gilt in einer historischen Stadt, die für Wohlgefühl und Identität der Bewohner und Bewohnerinnen sorgt, aber auch als touristische Marke und damit als Wirtschaftsfaktor wirkt, ganz besonders. Daher ist es wichtig, einen Ausgleich zwischen den Belangen herzustellen. Wenn Sie einen zusätzlichen Baum pflanzen, ist das immer gut für den Klimaschutz. Sie werden diesen klimaschützenden Baum aber vermutlich nicht in Ihre Garageneinfahrt pflanzen, denn da gibt es noch andere Belange, die berücksichtigt werden müssen. 

Welche Rolle spielte die AfD?

Die AfD hat immer gegen eine Satzungsänderung gestimmt. Aus welchen Beweggründen kann ich nicht sagen. Es gab offenbar von keiner Fraktion irgendeine Kommunikation mit der AfD zu dem Thema, den Protokollen nach nicht mal in den Ausschüssen. Das Thema ist ohnehin nicht in einem Rechts-Links-Schema zu verorten, da es um wirtschaftliche Betätigung geht, wäre eine Satzungsänderung zugunsten mehr Photovoltaikanlagen eher noch „rechts“ nach der klassischen Politiktheorie. Das halte ich aber genauso für abwegig, wie der SPD, den Grünen und der BfL vorzuwerfen, sie hätten den Haushalt des Bürgermeisters (vor allem des Kämmerers) 2022 zusammen mit der AfD beschlossen. Wenn man sich die Stimmverteilung ansieht stimmt das zwar theoretisch, SPD, die Grünen, BfL und AfD aber als eine Koalition zu bezeichnen, wäre aber sehr weit hergeholt und stößt bestimmt nicht auf viel Gegenliebe.

Und wie geht es jetzt weiter?

Für Lemgo soll gerade eine Stadtbildanalyse beauftragt werden, über den Auftrag muss der Stadtentwicklungsausschuss noch entscheiden. Diese böte eine fundierte Basis für fachliche Entscheidungen zu Photovoltaikanlagen im historischen Stadtkern. Gleichzeitig ist die gültige Gestaltungssatzung schon sehr alt und man sollte sich in einigen Punkten überlegen, ob sie noch zeitgemäß ist. Ich fände es gut, wenn sich die Fraktionen jenseits von Grabenkämpfen, weit vorgezogenem Wahlkampf und Ideologien noch einmal sachlich mit der Materie auseinandersetzten. Die ehrenamtliche Denkmalpflege sowie die Fachleute von Stadt und LWL stehen bestimmt für einen Dialog bereit. Ich bin mir sicher, dass es, wenn alle Befindlichkeiten nüchtern zur Seite gelegt werden, möglich ist, einen modernen Satzungstext zu finden, der gleichzeitig in der Tradition der städtebaulichen Behandlung unseres Lemgoer Herzstückes steht, wie sie ein Ulrich Faßhauer als Baudirektor oder ein Hannes Donat für Alt Lemgo vorgelebt haben. Das würde ich mir wünschen! Gerne helfe ich dabei mit meiner Expertise.“

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