LippeNachrichten

Größter Kommunaler Zusammenschluss ist unter Dach und Fach

MVA Bielefeld bekommt Zuschlag für die strategische Partnerschaft zur Klärschlammentsorgung mit der KSV OWL

Jetzt steht es fest: Die 78 Kommunen der Klärschlammverwertung (KSV) OWL GmbH werden ihren Klärschlamm bis 2043 gemeinsam mit der MVA Bielefeld-Herford GmbH entsorgen. Die entsprechenden Verträge sind am 28. April 2023 in Bielefeld unterschrieben worden. Zuvor hatten alle 47 Gesellschafter der KSV OWL den Verträgen in ihren Räten zugestimmt.

Die KSV OWL hatte über eine europaweite Ausschreibung einen sogenannten strategischen Partner gesucht, der mit ihr zusammen über ein gemeinsames Tochterunternehmen ab 2024 bis 2043 die Klärschlämme entsorgt. Die MVA Bielefeld-Herford GmbH (MVA) konnte sich bei dem Auswahlverfahren als strategischer Partner durchsetzen. Die MVA ist eine Tochter der Interargem GmbH und gehört damit mittelbar mehrheitlich zur Stadtwerke Bielefeld Gruppe. Das zukünftige gemeinsame Unternehmen OWL Ressourcen GmbH wird eine Klärschlammverbrennungsanlage (KVA) planen, bauen und betreiben. Die KVA wird in Bielefeld neben der aktuellen Müllverbrennungsanlage errichtet und die Synergiepotentiale an dem etablierten Standort nutzen. So wird die KVA an die vorhandene Rauchgasreinigungsanlage angebunden. Dadurch wird gewährleistet, dass die Abluft auf allerhöchstem Niveau gereinigt wird. Vorteilhaft ist dabei für die Zusammenarbeit, dass die notwendigen Genehmigungen dazu schon bestehen.

Um die Klärschlammentsorgung bis zur Inbetriebnahme sicherzustellen und zur Absicherung der Kooperation hat sich die MVA Bielefeld-Herford GmbH eine kompetente und im Klärschlammbereich erfahrene Partnerin an die Seite geholt und ein innovatives Konzept erarbeitet. So wird zunächst der Klärschlamm zusammen mit der BETREM GmbH, einer Tochter des Wasserwirtschaftsverbandes Emschergenossenschaft, entsorgt. Die BETREM verfügt in Lünen über eine eigene Klärschlammverbrennungsanlage und über weitere Entsorgungskapazitäten. Wenn dann in Bielefeld die neue KVA errichtet sein wird, werden dort insgesamt rund 35.000 Tonnen Trockensubstanz Klärschlamm behandelt werden können, für die weiteren noch rund 10.000 Tonnen Trockensubstanz steht die BETREM Tochtergesellschaft Innovatherm für die langfristige Entsorgung zur Verfügung.

In der Zukunft kann für Bielefeld durch die Verbrennung des Klärschlamms mehr Fernwärme und Strom erzeugt werden, weil regionale Wärmepotentiale der B+T Gruppe in Horn-Bad Meinberg genutzt werden, um Klärschlamm zu trocknen. In der KVA können künftig maximal 65.300 MWh Fernwärme pro Jahr erzeugt werden. Das entspricht dem Jahresbedarf von etwa 4.400 Musterhaushalten (mit 15.000 kWh/a Bedarf). Bei der Stromerzeugung werden maximal 23.960 MWh pro Jahr erwartet, was dem Jahresbedarf von etwa 8.500 Musterhaushalten (mit 2.800 kWh/a Bedarf) entspricht.

Als Kriterien der KSV OWL für die Auswahl des strategischen Partners wurden neben dem Preis der Entsorgung in der gemeinsamen KVA auch die Kosten berücksichtigt, die durch den Transport des Klärschlamms zur Anlage entstehen. Letzteres ist besonders in Anbetracht steigender Treibstoffpreise und CO2-Bepreisung bei einer so langen Laufzeit von wesentlicher Bedeutung. Großes Gewicht kamen außerdem dem Klima- und Umweltschutz sowie der Anlagentechnik zu.

Die KSV OWL wird ab 2029 einen weiteren Kreis der Wertstoffe schließen und die Phosphorrückgewinnung aus den bei der Verbrennung anfallenden Aschen sicherstellen. Hierfür wird sie nun den Markt sondieren und weiter vorausschauend für die Gesellschafter und die Einwohner von OWL und darüber hinaus planen.

Mit der Unterschrift wird einer der größten Aufträge der kommunalen Entsorgung in dreistelliger Millionenhöhe erteilt und ein wichtiger Impuls für Wirtschaft und Umwelt gesetzt. Der Auftragswert beträgt nach heutigen Preisen mehr als 400 Millionen Euro und löst Investitionen von rund 100 Millionen Euro aus. In Kürze wird die KSV OWL auch die Logistik für die ersten fünf Jahre der Entsorgung ausschreiben. Kleine Losgrößen ermöglichen es dabei gerade regionalen Speditionen sich zu beteiligen und mit umweltfreundlichen sowie innovativen LKW sich einen Vorteil zu verschaffen. Auch dies wird die Region stärken.

Stimmen zur Partnerschaft:

Dr. Ute Röder, Vorsitzende des Aufsichtsrates der KSV OWL GmbH und Verwaltungsvorstand Kreis Lippe: „Am heutigen Tag erreichen wir für OWL und darüber hinaus einen wichtigen Meilenstein zur Sicherung der Daseinsvorsorge für über 2 Millionen Bürgerinnen und Bürger für die nächsten 20 Jahre. Die Bürgerinnen und Bürger, die wir vertreten, können sich mit der Partnerin MVA Bielefeld-Herford GmbH auf eine wirtschaftliche und nachhaltige Klärschlammentsorgung verlassen, bei der gleichzeitig Umweltbelange wie Klimaschutz eine wichtige Rolle spielen. Dass unsere Kooperation – eine der größten in Deutschland auf diesem Feld – nun mit der MVA eine zu 100-Prozent kommunal getragene Partnerin aus der Region gefunden hat, freut mich ganz besonders. Die DNA der Kooperation „Gemeinsam-Kommunal- Regional“ wird so praktisch gelebt.“

Stefan Pöschel, Geschäftsführer der MVA Bielefeld-Herford GmbH: „Wir freuen uns sehr, dass wir uns im Wettbewerb um Bau und Betrieb der Anlage durchsetzen konnten und bedanken uns für das Vertrauen, das uns die Kommunen in OWL damit zum Ausdruck bringen. Es ist uns gelungen, ein insgesamt schlüssiges und überzeugendes Konzept anzubieten. Dabei spielt auch der Übergangszeitraum bis zur Inbetriebnahme der KVA in Bielefeld im Jahr 2027 eine Rolle. Sowohl hier als auch bei der finalen Lösung spielt unsere kommunale Kooperationspartnerin BETREM eine bedeutsame Rolle. “

Rainer Müller, Geschäftsführer der Stadtwerke Bielefeld: „Die Stadtwerke Bielefeld Gruppe hat mit dem Zuschlag ihr Geschäftsfeld Entsorgung deutlich gestärkt. Und darüber hinaus ist das Projekt ein weiterer wichtiger Baustein für eine umweltfreundliche und klimaneutrale Fernwärmeversorgung in Bielefeld.“

Martin Adamski, Umweltdezernent der Stadt Bielefeld: „Die Entscheidung der OWL- Kommunen, diese hochmoderne und umweltfreundliche Klärschlammverbrennungsanlage in Bielefeld errichten zu lassen, freut uns als Standortkommune sehr. Es unterstreicht das Vertrauen, das sich Bielefeld in den vergangenen 40 Jahren mit der thermischen Abfallbehandlung erworben hat. Heizwärme aus Klärschlamm ist in Bielefeld ab sofort Teil der kommunalen Wärmeplanung und damit ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität.“

Detlef Werner, Aufsichtsratsvorsitzender der MVA Bielefeld-Herford GmbH: „In meiner Funktion habe ich den Prozess der Projektierung und Angebotserstellung in der vergangenen Zeit begleiten können. Der erteilte Zuschlag ist für die MVA ein großer Meilenstein. Ich bin stolz darauf, dass wir zeigen konnten, dass kommunale Unternehmen sehr wirtschaftlich denken und kundenorientiert arbeiten.“

Die guten bisherigen Erfahrungen der Zusammenarbeit bei der Restmüllentsorgung hob Thomas Grundmann, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender und Geschäftsführer der Gesellschaft für Entsorgung des Kreises Gütersloh mbH, hervor: „Uns ist die MVA aus jahrzehntelanger guter Zusammenarbeit bei der Restmüllentsorgung bekannt. Wenn sich dies bei der Entsorgung des Klärschlamms so fortführt, wovon wir ausgehen, können wir auf eine verlässliche und kooperative Partnerschaft bauen, die ein absolut solides Fundament für die lange Laufzeit bis 2043 bildet.“

Weitere Informationen:

In OWL werden rund 120 Kläranlagen betrieben, die mittelbar oder unmittelbar in kommunaler Hand liegen. In den Kläranlagen fielen 2017 etwa 184.000 Tonnen Klärschlamm an. Diese Klärschlämme enthalten eine ganze Reihe wertvoller Pflanzennährstoffe. Daher konnten in der Vergangenheit rund zwei Drittel als Dünger auf den Feldern der Region genutzt werden, die verbleibende Restmenge wurde in Kraftwerken und Zementwerken eingesetzt. Da der Klärschlamm neben wertvollen Bestandteilen jedoch auch umwelt- und gesundheitsgefährdende Schadstoffe enthalten kann, wurde in der neuen Klärschlammverordnung (AbfKlärV) die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung eingeschränkt. Weiterhin ist durch Inkrafttreten der neuen Düngeverordnung vom 2. Juni 2017 das Aufbringen unter anderem von Stickstoff und Phosphor auf Äckern weiter eingeschränkt worden. Da aber Phosphor ein wertvoller Rohstoff ist, hat der Gesetzgeber ab 2029 eine grundsätzliche Pflicht zur Phosphorrückgewinnung für Klärschlämme vorgesehen.

Aufgrund der Änderung der beiden Gesetze haben aber bereits jetzt, und zwar alle Kläranlagenbetreiber, auch die der kleineren Städte und Gemeinden, Probleme, weil die bisher in OWL betriebene landwirtschaftliche Verwertung nicht mehr bzw. nur noch sehr eingeschränkt möglich ist. Eine ordnungsgemäße Entsorgung erfolgt daher meist in Verbrennungsanlagen. In ganz Deutschland fehlen aber, insbesondere auch nach Beendigung der Laufzeiten der Kohlekraftwerke, Kapazitäten hierfür. Daher stieg 2017 bis 2020 das Preisniveau für die Klärschlammentsorgung sprunghaft. In Niedersachsen und auch einigen Regionen OWLs wurde von einem Entsorgungsnotstand gesprochen, da kaum noch Flächen für die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung zur Verfügung standen.

Aufgrund der erheblichen Vorlaufzeiten für die notwendigen Umsetzungsmaßnahmen einer zukunftsfähigen Klärschlammentsorgung/-verwertung in OWL bestand deshalb die Notwendigkeit, schon frühzeitig zu handeln, um für neu zu schaffende Entsorgungskapazitäten einen ausreichenden Planungs- und Umsetzungszeitraum zur Verfügung zu haben. In der KSV OWL haben sich über die 47 Gesellschafter aus 78 Gemeinden, Städten, Kreisen sowie den Wasser- und Zweckverbänden aus den Regierungsbezirken Detmold und Arnsberg sowie Niedersachsen mittels des Kooperationsvertrages vom 14. Februar 2020 zusammengeschlossen, um gemeinsam langfristig, nachhaltig und wirtschaftlich ihre Klärschlämme zu entsorgen. Durch diesen einmaligen Zusammenschluss ergeben sich nun eine Vielzahl von Synergien, die den Bürgerinnen und Bürgern als Gebührenzahlern zugutekommen.

PM Kreis Lippe

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