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Lehre/Wissenschaft

Ein Katalysator für die Energiewende

Ob aus Zuckerrüben, mangelhaftem Getreide oder Holzabfällen: Bioethanol kann einen Beitrag zur Energiewende leisten. Professor Dr. Manfred Sietz von der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe hat im Labormaßstab einen Katalysator entwickelt, der die Herstellung von Bioethanol nicht nur beschleunigen, sondern auch kostengünstiger und nachhaltiger machen kann. Jetzt sucht er Partner, um die Grundlagenforschung in einen industriellen Maßstab zu überführen.

„Die ersten Autohersteller hatten nicht Benzin als Kraftstoff im Sinn, sondern Ethanol“, sagt Professor Dr. Manfred Sietz vom Fachgebiet Chemie und Umweltmanagement der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Da Benzin dann jedoch preisgünstiger hergestellt werden konnte, setzte es sich durch – bis heute, aber: „Die Zeit hat sich geändert, wir können uns den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid und die enorme Wärmeabgabe in die Atmosphäre durch die Benzinverbrennung nicht mehr leisten“, so Sietz. Bioethanol habe eine wesentlich bessere Ökobilanz. Und: „Neuwagen könnten komplett mit Bioethanol fahren – wir brauchen also dringend nicht nur das heute schon erhältliche E5 und E10, sondern E50 oder sogar E100“, fordert der Höxteraner Chemiker. Um das zu ermöglichen, hat er einen Katalysator entwickelt, der die Herstellung von Bioethanol um bis zu 60 Prozent oder mehr beschleunigen könnte. Bei seiner Forschung wurde er durch Bachelorabsolventen des gemeinsamen Fernstudiengangs Chemie der TH OWL mit Springer Nature unterstützt. („Katalytische Beschleunigung der alkoholischen Gärung durch kristalline Oxidationskatalysatoren auf Basis von Nanogold/ Kieselgel“ von Prof. Dr. Manfred Sietz und cand. B. Sc. Yvonne Siemens, TH OWL, gemeinsamer Fernstudiengang Chemie der TH OWL, Abt. Höxter, Fachbereich 8 mit Springer Nature, Heidelberg)

Als Katalysator dient Nanogold, ein Stoff, der in der Natur vorkommt – im Meerwasser, wo es sich aus Goldsalzen bildet. Um das in Flüssigkeit gelöste Nanogold in eine stabile Form zu bringen, wurde es auf kristallines Kieselgel aufgebracht, eine Substanz ohne katalytische Eigenschaften, aber mit großer Oberfläche, die als Trägermedium fungiert: Es entstehen violette Kristalle, die sich nicht in Wasser lösen, an der Luft haltbar sind und somit auch für den Handel geeignet wären. Zwei Jahre lang hat Sietz experimentiert, um die optimalen Versuchsbedingungen herauszuarbeiten: Am Ende konnte er die Herstellung von Ethanol, also Alkohol, aus konzentrierten Zuckerlösungen durch die Zugabe des Nanogoldkatalysators um über 60 Prozent beschleunigen. „Die Ergebnisse sind im Labormaßstab deutlich reproduziert, also wissenschaftlich valide“, sagt Sietz.

Der Professor rechnet vor: Die Zuckerindustrie benötigt derzeit drei bis vier Tage bei Temperaturen über 30 Grad Celsius, um Bioethanol herzustellen. Durch den Nanogold-Katalysator brauche man weniger als die Hälfte der Zeit, könne also den Durchlauf deutlich erhöhen und mehr Kraftstoff produzieren – und das bei niedrigeren Temperaturen, denn optimal arbeitet der Katalysator bei 20 Grad Celsius, so die bisherigen Ergebnisse. Das spart schon in der Produktion Energie. Und: Der Katalysator lässt sich vollständig zurückgewinnen und so immer wieder einsetzen. Bezahlbar ist der Katalysator auch!

Partner für Reproduktion im großen Maßstab gesucht

Hergestellt werden kann Bioethanol aus Zuckerlösung, aber auch durch Vergärung aus Abfallholz. Oder aus Getreide – und das ohne Konflikt mit der Nahrungsmittelproduktion: „Wenn es zu schlechten Ernten kommt, weil etwa das Wetter zu trocken oder zu feucht war, kann das Getreide für die Lebensmittelherstellung nicht genutzt werden. Die Produktion von Bioethanol ist dann für die Landwirte ein zusätzliches Potenzial, um den Verkauf ihrer Ernte zu sichern“, erklärt Sietz. Anwendung finden kann Bioethanol im Übrigen nicht nur als Kraftstoff, sondern beispielsweise auch für Desinfektions- oder Lösungsmittel.

Der bisherige Versuchsaufbau war bewusst einfach gehalten, denn die Experimente mussten aufgrund der Corona-Pandemie weitestgehend außerhalb des Hochschul-Labors zuhause durchgeführt werden. „Die Grundlagenforschung ist gemacht, jetzt wollen wir den nächsten Schritt gehen“, sagt Sietz und richtet sich damit an Partner aus der Industrie: „Es geht darum, die Experimente unter Technikumsbedingungen zu reproduzieren – sie also vom Maßstab 500 Milliliter auf beispielsweise 500 Liter zu vergrößern. Angesprochen ist vor allem die Bioethanol- aber auch die Holz- und Energiewirtschaft.“

PM TH OWL

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