Kultur

20 Jahre ‚Ganz Ohr sein‘ in der Stadtbücherei

Lemgo. Auch im zwanzigsten Jahr hat die Veranstaltungsreihe „Ganz Ohr sein“ nichts von ihrer Attraktivität verloren: am Freitagabend war der Lesesaal der Lemgoer Stadtbücherei wieder mehr als ausgebucht, wenn es denn für diesen Abend Tickets gegeben hätte. Neben den Frühjahrsneuerscheinungen, vorgestellt von Ursula Heer, wollten die Besucher von den drei geladenen Gästen etwas mehr über deren jeweiligen Aufgaben wissen, als es die Berufsbezeichnung ahnen lässt. Und da hatten Petra Meier, Igor Oster und Manuela Werner so einiges an Überraschendem zu berichten. Und das gilt auch für die jeweiligen Lese-Empfehlungen. Nicht zuletzt zur Freude der Moderatorin Elisabeth Webel und des Publikums.

Der Leiter der Kunstwerkstatt von Eben-Ezer, Igor Oster, ist vielen Lemgoern sicherlich bekannt. Weniger bekannt dürfte sein, dass der vielseitige Künstler aus Minsk stammt, dort an der Akademie der Künste studiert hat und dann über Münster der Freiheit und nicht zuletzt der Liebe wegen in Deutschland geblieben und endlich in Lemgo gelandet ist. Und hier erwartete ihn eine ganz besondere Aufgabe: den Bewohnern von Eben-Ezer die Möglichkeit zeigen, auf welchen Wegen und mit welchen Mitteln sie ihre Ideen ausdrücken können. Oster machte deutlich: „Das sind keine Schüler, das sind Künstler.“ Outsider-art ist der Fachbegriff. Zu dem von ihm vorgestellten Buch „Jaspers Fluchten“ von Hannes Sonntag hat er eine ganz besondere Beziehung. Die Illustrationen sind von ihm, entstanden ohne den Text zu kennen, aber so passend, dass der Autor sie unbedingt übernehmen wollte.

Finanzamt – allein der Name hat für viele schon eine abschreckende Wirkung. Nur – und das machte Petra Meier, Leiterin des Finanzamtes Lemgo, schnell deutlich – Steuern zahlen mag keiner wirklich gern, „es ist wie ein Tausch. Für die Steuern erhalten wir Dinge zurück, die wir uns als Einzelne nicht leisten könnten“. Petra Meier ist eigentlich eine Quereinsteigerin: studiert hat sie Jura, in Bielefeld mit einem Abstecher in Frankreich, Schwerpunkt: Europarecht. Sie liebt die juristische Sprache, die Eindeutigkeit auch bei schwierigen Sachverhalten. Das findet sich auch im Steuerrecht. Von da aus war der Einstieg in den gehobenen Dienst in der Finanzverwaltung keine große Umstellung. Zumal es dort dann nicht um die alltäglichen Fragen des Steuerrechts geht, sondern der Dienst allgemein und besonders der Mensch im Mittelpunkt steht. Gefreut hat sie, dass praktisch zu ihrem Dienstantritt in Lemgo auf die Ehrenamtsbeauftragten beim Finanzamt hingewiesen wurde. Hier gibt es für die Vereine unproblematische Hilfestellung bei Steuerfragen. Aber – das sagte sie hinter vorgehaltener Hand – „die gab es vorher schon. Und wird es weiterhin geben. Auch in anderen Dienststellen…“. Ihr Lesetipp: „Der Markisenmann“ von Jan Weiler. Wer „Maria. Ihm schmeckt’s nicht!“ gelesen hat, kann erahnen, was ihn erwartet. Und wird nicht enttäuscht werden.

„Der Beruf hat mich gefunden“. Das sagt die Bestatterin Manuela Werner. Auch sie ist eine Quereinsteigerin. Gelernt hat sie Druckformenherstellung, hat dann in einem Beerdigungsinstitut näher hinschauen dürfen und sich dann für diese herausfordernde Aufgabe entschieden. Mit Lehrzeit und Schulung in einem Ausbildungszentrum, diversen weiteren Schulungen und dann der Mitarbeit. Seit 2019 ist sie selbständig und begleitet die Menschen in der schwierigen Situation des Abschiednehmens. Natürlich gehört inzwischen viel Verwaltungsaufwand dazu, Gesetze, Richtlinien müssen beachtet, Fristen gewahrt sein. Aber der trauernde Mensch steht im Mittelpunkt. Um ihn geht es auch bei „Hope’s Angels“. Hier kümmert man sich um die Angehörigen von Babys, die vor, während oder nach der Geburt gestorben sind. Denn die verwaisten Eltern fühlen sich häufig von allen Seiten allein gelassen. Einsam und alleingelassen versterben auch immer mehr Menschen. Ihnen ihre Würde im Tod und damit eine würdige Beerdigung zukommen zu lassen – dafür haben sich ökumenische Initiativen gebildet. Ganz neu für Lemgo war das erste „Death-Café“ im AWO-KastanienHaus am Wall. Hier konnte zwanglos und ohne Berührungsangst über alles rund ums Thema Sterben gesprochen werden. Und auch hier engagiert sich Manuela Werner. Ihr Buchtipp: „Die Bibel“ hätte zu diesem Thema gepasst, aber es war die „Die Bibel nach Biff“ von Christopher Moore. Da musste leicht geschluckt werden, bevor dann doch geschmunzelt wurde. Ja, auch so hätte es sich abspielen können.

Noch mehr Büchertipps? Ursula Heer hatte sie parat: in einer 20-minütigen tour d’horizont stellte sie einige der Neuerscheinungen dieses Frühjahrs vor; die Liste dazu gibt es in der Buchhandlung Pegasus und natürlich in der Stadtbücherei Lemgo.

PM Berthold Jauch-Held

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