NachrichtenWirtschaft

Wie teuer wird der Winter für uns in Lemgo?

Die Spekulationen über steigende Energiepreise schießen ins Kraut: wieviel mehr werden wir für Strom und Gas denn nun in Lemgo künftig genau ausgeben müssen? Müssen wir mit sogenannten ‚Blackouts‘ oder Engpässen rechnen? Wie und wo wird in der Stadt Energie gespart und welche Maßnahmen sind für den Notfall geplant? Was geschieht dort, wo die Preise nicht mehr gezahlt werden können? Und haben sich die Verbraucher schon auf die Preiserhöhungen und steigenden Kosten eingestellt? Wir haben mit Vertretern der Stadtwerke Lemgo, Wolfgang Jäger (Lemgo Marketing), Dennis Ortmeier, Thomas Lenninger (beide Stadt Lemgo) und Sven-Eric Bierhenke (Bierhenke-Immobilien) über den Stand der Dinge gesprochen.

„Auf den Cent genau können wir es nicht berechnen, aber für den durchschnittlichen privaten Haushalt in Lemgo gehen wir von einer jährlichen Mehrbelastung von mindestens 2000 Euro aus“, so der Geschäftsführer der Stadtwerke Arnd Oberscheven im Gespräch mit uns. Dies sei allerdings stark von Wohnraumfläche, Heizungsart, energetischem Zustand der Wohnung/des Hauses sowie individuellem Energieverbrauch abhängig. Matthias Sasse (Prokurist, Geschäftsleiter Vertrieb und ab dem 1. Januar Geschäftsführer Stadtwerke Lemgo) fügt hinzu:“ Und wir haben durch vorausschauendes Management den Großteil des Gases für das nächste Jahr noch günstig einkaufen können, die verbleibenden 20% schlugen dann allerdings mit dem fast 10fachen Einkaufspreis zu Buche. Dementsprechend fallen die Erhöhungen bei anderen Anbietern unter Umständen noch deutlich höher als bei uns aus!“

Warum steigt der Gaspreis zum Januar 2023 so stark an?
Wir haben schon vor der Krise den größten Teil der notwendigen Gasmengen für diesen Winter zu günstigeren Preisen beschafft. 20 % mussten wir aber zum zehnfachen Preis nachordern – auch für Neukunden, die wir aufgefangen haben, weil sie von Insolvenzen anderer Energieversorger betroffen waren. Diese Nachorder schlägt enorm ins Gewicht. Rechnen wir noch die staatlichen Umlagen mit ein, wird das Gas 2023 deutlich teurer als bisher: Alles zusammen kann eine Mehrbelastung von weit über 2000 Euro für einen durchschnittlichen privaten Haushalt bedeuten. Quelle: Stadtwerker 02/2022

Die Briefe zur Preiserhöhung durch die Umlagen sind versendet, die Abschlagszahlungen werden also zeitnah erhöht. Bis Ende des Jahres bleiben die Rohstoffpreise für Stadtwerke Lemgo Kunden bis auf die Erhöhung durch die Umlagen aber stabil. Der Preisschock wird mit den Jahresabrechnungen am Anfang des nächsten Jahres erwartet, denn dann müssen die Abschläge für die Haushalte deutlich erhöht werden, nämlich um rund 200 Euro monatlich. Und obendrauf kommt noch eine erwartete Strompreisanpassung…

Wovon gehen Sie bei den Fernwärme- und Stromkosten aus?
In Lemgo produzieren wir über 20 % der Wärme aus erneuerbaren Energien. Im Sommer benötigen wir deshalb nahezu kein Gas mehr für die Wärmeproduktion in unseren Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) – das wirkt preisdämpfend. Im Winter sieht es aber anders aus, da produzieren wir Wärme und Strom für Lemgo noch weitgehend mit Erdgas. Deshalb gehen wir bei Fernwärme auch von durchschnittlich ca. 2 000 Euro Mehrbelastung aus – und hier ist leider mit Stand vom 29. August 2022 keine Mehrwertsteuersenkung in Sicht. Beim Strom fallen die Anpassungen nicht so stark aus. Quelle: Stadtwerker 02/2022

Härter erwischt es gewerblichen Kunden mit größeren Abnahmemengen durch die individuelle Vertragsgestaltung. Dort muss im ungünstigsten Fall mit teils zehnfachen Abschlägen (und damit Kosten) für das Gas gerechnet werden. Ebenso fallen beim Strom durch die größere Abnahmemenge natürlich auch die Erhöhungen deutlicher aus. (Wie der Lemgoer Handel, Handwerk und Dienstleister mit diesem Thema umgehen und was dieses für die Preisentwicklung bei Waren und Dienstleistungen bedeutet, darüber berichten wir in den nächsten Tagen, Anmerkung der Redaktion)

Was geschieht denn nun, wenn jemand die Abschlagzahlungen nicht mehr leisten kann? Dazu Thomas Lenninger vom Sozialamt in Lemgo: „Wir befinden uns zur Zeit in intensivem Austausch mit Kreis und warten auf eventuelle Regelungen des Bundes. Erst einmal müssen wir uns bei Gas, Strom und Öl auf bestimmte Richtmengen einigen, da wir zur Berechnung eventueller Hilfe ja nicht ständig den ‚Horrorpreisen‘ hinterher jagen können, sondern mit festen Werten arbeiten müssen.“ Für gewöhnlich arbeite man mit dem Kreis Lippe zusammen um eine einheitliche lippische Lösung bei den Berechnungen anbieten zu können. Auch auf Initiative der Stadtwerke finden zur Zeit Gespräche mit Sparkasse, Jobcenter, dem Sozialamt Lemgo und Vertretern der Paritätischen Wohlfahrtsverbände statt, um eventuell Härtefalllösungen zu erarbeiten. In der Regel allerdings wird der Verbraucher sich selber kümmern müssen. Anfragen zum Aufstocken beim Jobcenter und das zeitnahe Einreichen von Abschlagserhöhungen durch Empfänger von Transferleistungen beim Leistungsträger bleiben letztendlich in der Verantwortung des Einzelnen.

Vorsichtig optimistisch äußern sich die Vertreter der Stadt Lemgo ebenso wie die Geschäftsführung der Stadtwerke: bei einem klimatisch normal verlaufendem Winter rechne man erst einmal nicht unbedingt mit dramatischen Engpässen oder gar einem ‚Blackout‘. Dennis Ortmeier (Verwaltungsvorstand Stadt Lemgo):“ Wir arbeiten eng mit unserer (ehrenamtlichen!) Feuerwehr, Polizei, THW und anderen zusammen, um im Notfall sogenannte ‚Leuchttürme‘ für den absoluten Notfall bereit stellen zu können. Diese sind mit Notstromaggregaten versehen und dort werden wir Hilfe zur Selbsthilfe leisten können – viel mehr aber auch nicht. Als Wärmehallen beispielsweise sind diese Anlaufstellen nicht gedacht oder geeignet. Die geplanten Standpunkte dieser ‚Leuchttürme‘ werden wir in den nächsten Tagen bekannt geben.“ Er rät zur Nachbarschaftshilfe und zur Selbstverantwortung. Hilfreich beispielsweise ist die Broschüre ‚Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen‘ (Klick für den Download). Um die Wahrscheinlichkeit eines Stromausfalls zu minimieren, weisen die Stadtwerke nochmals auf den Verzicht von Heizlüftern hin:

Macht es Sinn, mit Heizlüftern im Winter für Wärme zu sorgen?
Das ist keine gute Idee. Selbst mit der Verteuerung kostet eine Kilowattstunde Erdgas immer noch weniger als eine Kilowattstunde Strom. Mit Gas zu heizen bleibt also im Vergleich günstiger und entlastet zugleich das Stromnetz. Quelle: Stadtwerker 02/2022.

Und auch auf öffentlicher Seite wird schon tüchtig Energie eingespart: die Stadtwerke verzichten auf Werbebeleuchtung und wollen künftig auch im Betrieb des Eau-Le Einsparungen vornehmen (wie genau diese aussehen, wird in Kürze bekannt gegeben) Die Stadt berät noch über Einsparungen beispielsweise bei der Straßenbeleuchtung, diese werden zeitnah durch die Politik beschlossen werden. Karl Wessel (Gebäudewirtschaft Lemgo) weist auf die schon durchgeführten und geplanten Maßnahmen durch die Stadt hin:

„Die wenigsten Menschen haben sich auf die kommenden Preiserhöhungen eingestellt. Es ist ein typisches Stammtischthema. Man spricht darüber, kann es sich aber nicht wirklich vorstellen. Seit einigen Wochen rate ich Vermietern bei Neuverträgen die Abschlagszahlungen für Energie anzupassen, das heißt, zu verdoppeln oder verdreifachen“, so Sven-Eric Bierhenke vom gleichnamigen Immobilienbüro. „Bisher haben sich eben weder Mieter noch Vermieter ernsthaft mit dem Thema beschäftigt, es fehlten bisher ja auch konkrete Zahlen.“ Sein Vorschlag sorge dann teils für erschrockene Gesichter, denn damit überstiegen die Nebenkosten die Kaltmiete teils deutlich. Die Entwicklung mache ihm durchaus Sorgen, denn häufig sei auch das Geld für eine energetische Sanierung der Objekte schlicht nicht vorhanden.

Sven-Eric Bierhenke. Foto: Mein Lemgo

Weihnachtsbeleuchtung wird brennen. Einen vorsichtig optimistischen Ausblick gibt uns Wolfgang Jäger von Lemgo Marketing:“ Wir haben in den vergangenen Jahren rund 30.000 Euro in die Weihnachtsbeleuchtung investiert und nutzen nun vollständig energiesparsame LED-Beleuchtung. Und diese wird auch in der Weihnachtszeit leuchten, zwar auch zu etwas verkürzten Zeiten, aber wir wollen die Besucher der Innenstadt mit unserer weihnachtlichen Beleuchtung erfreuen und ein positives Signal senden. Wir unterstützen auch Handel und Gastronomie mit dieser Maßnahme – die haben es durch Inflation und steigende Kosten schon schwer genug.“ Ebenso solle der Lippegarten (Ausrichtungsort der ‚Lemgoer Winterwelt‘) mit 120 Tannenbäumen festlich geschmückt werden. Dort soll neben Speis und Trank regelmäßig ein Programm geboten werden, interessierte Vereine, Gruppen oder Künstler mögen sich bei Lemgo Marketing noch bewerben. „Sollten wir die Lizenzen für die Fussball-WM zu einem vertretbaren Preis erwerben können, so planen wir auch für die zwei Spiele mit deutscher Beteiligung während der ‚Winterwelt‘ ein Public Viewing dort“, so Wolfgang Jäger.

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