Lehre/Wissenschaft

Im Kraftwerk Land testet die TH OWL die Stromproduktion und -speicherung

„Was passiert eigentlich, wenn aus der Gasleitung kein Gas mehr kommt?“ Diese Frage wird sich in diesen Tagen sicher schon jeder gestellt haben. Die Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe und hier insbesondere Professor Dr.-Ing. Jan Schneider, Leiter des Instituts für Life Science Technologies iLT.NRW und Professor Dr.-Ing. Georg Klepp vom Institut für Energieforschung iFE, stellen sich diese Frage schon länger und forschen nach Antworten. Die Eröffnung des „Kraftwerk Land“ am Innovationszentrum Dörentrup des Kreises Lippe mit zahlreichen Gästen aus Politik, Unternehmen und Wissenschaft ist im Rahmen dieser Forschungen ein großer Höhepunkt. Während der Eröffnung wurde aber auch klar: bis zum alltagstauglichen Einsatz postfossiler Energieversorgung und grünem Wasserstoff wird es wohl noch eine Weile dauern.

In der in drei Containern untergebrachten Pilotanlage der TH OWL wird im kleinen, industriellen Maßstab Strom aus Photovoltaik und Wind in Form von grünem Wasserstoff gespeichert. Dieser wiederum kann dann über eine Brennstoffzelle unterschiedliche genutzt oder weiter zu Methan und Methanol verarbeitet werden. Quasi parallel entsteht mittels eines Bio-Kraftwerks, in dem spezielle Mikroben zum Einsatz kommen, aus COMethan, das wiederum zusätzlich zur Wasserstoffgewinnung genutzt wird.

Der erste Stellvertreter des Landrates Rainer Grabbe sagte während der Eröffnungsveranstaltung, der ländliche Raum werde bei der Energieversorgung noch eine herausragende Rolle spielen. „Wir haben auf dem Land Fläche. Und die können wir sinnvoll für die Energiegewinnung und -versorgung auch der Städte einsetzen“, so Grabbe. Die Energiewende könne nur gelingen, wenn Strom aus erneuerbaren Energien grundlastfähig zur Verfügung gestellt werden könne. Und da benötige man die ländlichen Flächen für Photovoltaik- und Windparks. Zur Grundlastfähigkeit gehöre aber auch die Möglichkeit, die produzierte Energie zu speichern. Und das sei ja ein Thema des Reallabors der TH OWL.

Der Präsident der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Professor Dr. Jürgen Krahl, erinnerte in seinem Grußwort an die großen Herausforderungen, die in den kommenden Jahrzehnten auf die Menschheit zukommen. „Bis 2050 werden zusätzlich ca. zwei Milliarden Menschen auf der Erde leben. Auch diese Menschen brauchen Nahrung – wir beschäftigen uns auch mit künftigen Formen der Lebensmittelproduktion von der Aussaat bin zum Teller, sie brauchen Wohnraum – in Detmold befassen wir uns mit nachhaltigen Bauformen – und sie brauchen Energie. Ohne erneuerbare Energie wird es so nicht weitergehen und mit fossiler Energie auch nicht.“ In Dörentrup sei nun ein Hotspot der Nutzung und Erprobung neuer Energieversorgung entstanden. Dieses Beispiel zeige einmal mehr, wozu die TH OWL fähig sei. „Wir bringen die besten Köpfe unserer Lehrenden und Studierenden zusammen, um die Zukunft zu entwickeln“, so Krahl.

Entstanden sei so eine einzigartige Pilotanlage für grünen Wasserstoff. „Wir sind ein Hotspot der interdisziplinären Forschung zu nachhaltiger Energie und Energiespeicherung“, sagte der Präsident, der insbesondere dem Kreis, der lokalen Politik, den beteiligten Unternehmen sowie den weiteren Mitarbeitenden der TH OWL für ihr hohes Engagement dankte.

Professor Dr. Jan Schneider bringt in diese Interdisziplinarität die Energieproduktion in Form eines bedarfsgerechten Power-to-Gas-Konzeptes in CO2 emittierenden Fermentationsanlagen ein. Seine Beschäftigung mit dem Thema geht auf das Jahr 2010 zurück, als Brennereien anfingen, Bio-Ethanol produzieren zu wollen. Als Weizen teuer wurde stellte sich die Frage, ob dies auch mit Lebensmittel-Abfällen funktioniert. „Wir haben damals schon schnell gelernt, dass wir ein Bio-Raffinerie-Konzept denken müssen“, sagte Schneider. Daraus sei dann das Projekt „BioCO2vert“ geworden. Dabei wird Strom aus CO2-Abflüssen, etwa aus der Bierproduktion, gewonnen.

Kern des jetzigen Projektes sei es, Strom aus Solar- und Windkraft in ein Speichersystem zu überführen. Damit gab Schneider den Staffelstab an seinen Kollegen Professor Dr. Georg Klepp weiter. Der fasste die Idee, Strom aus unterschiedlichen Energiequellen zu speichern und weiterzuverarbeiten so zusammen: „Wir schließen die Produkte aus Sonne, Wind und Biogas zusammen. Mit unserem FES Field Lab haben wir ein mobiles Kraftwerk, mit dem wir grünen Wasserstoff daraus machen können. Und daraus kann dann Methanol oder wieder Strom oder sonst etwas gemacht werden“, so Klepp.

Die Frage des Umwandelns von Wasserstoff ist für die Energiewende zentral, denn nach wie vor kann Wasserstoff nur schwer transportiert werden. Das ist mit Methanol viel einfacher, wenn man etwa über Kraftstoff-Ersatz oder die Versorgung größerer Anlagen nachdenkt.

Insgesamt aber sollen im Reallabor eher dezentrale Energieproduktions- und -versorgungssysteme getestet werden. „Wir können uns vorstellen, dass so eine Technologie vor allem in Industrieunternehmen oder in der Landwirtschaft eingesetzt werden“, so Klepp. Timo Broeker, Forschungsreferent an der TH OWL und Manager des Projektes wies noch auf eine weitere Nutzung hin: „Wenn wir nun über die flächendeckende Energieversorgung nachdenken, dann reden wir über virtuelle Kraftwerke“, so Broeker. Damit seien nicht computersimulierte Energieproduktionen gemeint, sondern dass dezentrale Energieproduktions- und Speichersysteme miteinander gekoppelt werden und so in der Lage sind, auch Regionen zu versorgen, in denen das Aufstellen derartiger Anlagen nicht möglich ist.

Während einer Podiumsdiskussion , an der neben den TH-Professoren Jürgen Krahl, Jan Schneider und Georg Klepp sowie Rainer Grabbe auch Diplom-Ingenieur Wilfried Grote, Director Industry Management Chemical & Pharm. Industruy Management and Automation bei Phoenix Contact, Mike Süggeler, Leiter Innovation bei der Westfalen Weser Netz GmbH, und der Bundestagsabgeordnete Robin Wagner (Die Grünen) teilnahmen, wurde noch einmal deutlich, welche Chancen die dezentrale Energieproduktion und -speicherung im Rahmen eines Verbundes hätte. „Ein solches System hätte das Potenzial, uns tatsächlich von autoritären Staaten unabhängig zu machen, mit denen die demokratischen Staaten gerade in einer dramatischen Auseinandersetzung stehen“, so Wagner. Auch er sieht die Vorteile des ländlichen Raumes. „Hier wäre auch eine Kooperation mit der Ukraine absolut sinnvoll. Dort gibt es die riesigen Flächen, die für eine entsprechende Grundlastgarantie sorgen könnten“, so Wagner.

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Kerstin Vieregge, von Moderatorin Karen Zereike, Teamleiterin Zukunftsprojekte beim Kreis Lippe, gefragt, wie sie denn die Debatte zu erneuerbaren Energien im Bundestag finde sagte, aus ihrer Sicht könnte die Debatte durchaus prominenter und als Top-Thema geführt werden. Diese Dringlichkeit habe sie bisher aber noch nicht verspürt, auch nicht unter ihrer eigenen Regierung.

PM TH OWL

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