Vier Bürgermeister äußern sich aus Bürgersicht zur Mitteilung des Kreis Lippe „Fragen und Antworten zur Standortstrategie für das Klinikum Lippe“

Die Bürgermeister aus Lemgo, Barntrup, Dörentrup und Extertal nehmen in einer Pressemitteilung Stellung zu den vor zwei Tagen aufgeworfenen zu den vom Kreis Lippe aufgeworfenen Fragen zum Klinikum Lippe. Hier der unbearbeitete Text:
„Der Kreis Lippe hat Informationen zur politischen Pressearbeit herausgegeben, die sich mit den bisher untersuchten Vorschlägen zur Neuausrichtung der Standorte Lemgo und Detmold beschäftigen. Da die direkten Informationen auch weiterhin weithin geheim gehalten werden, und die Gutachten den betroffenen Städten und Gemeinden vorenthalten werden, gilt es, diese Informationen kritisch zu hinterfragen.
Wird der Standort Lemgo des Klinikums Lippe geschlossen?
Lemgo soll als Krankenhaus geschlossen werden. Die ambulanten Betten sollen weitgehend entfallen. Von der vorhanden Bausubstanz soll nur ein gutes Viertel genutzt werden, trotz additiv vorgeschlagener Nutzungen wie ambulante medizinische Leistungen und ein Hospiz. Mindestens 500 Arbeitsplätze sollen am Standort Lemgo entfallen und verlagert werden. Für die dann leer stehende Bausubstanz, immerhin 2/3 des jetzigen Klinikums, gibt es keinerlei Zukunftskonzept.
Warum sind solche Veränderungen überhaupt notwendig?
Zu den vom Kreis genannten Gründen 1) ökonomischer Druck auf Krankenhäusern, 2) Fachkräftemangel und 3) noch nicht beschlossene Reformen in der Gesetzgebung tragen die politische und geschäftliche Führung der letzten 5 Jahre, der Umgang mit dem Personal, eine fehlende Strategie zur Stärkung des Standortes Lemgo, die irreführende Öffentlichkeitsarbeit, unterdurchschnittliche Patientenzahlen und die Umstellung auf ein Universitätsklinikum zu der jetzigen Lage des Klinikums Lippe bei.
Kann nicht einfach alles so bleiben, wie es ist – „wie es beispielsweise einige Bürgermeister aus Lemgo und Nordlippe behaupten“?
Für Veränderungen sind die Bürgermeister im Kreis Lippe alle offen. Dabei sollten aber die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger nach einer wohnortnahen Versorgung, wie es das Land Nordrhein-Westfalen in seiner Krankenhausplanung vorsieht, berücksichtigt werden. Dazu gehörte ein Standortkonzept für Lemgo, dass die Basis-Notfallversorgung für Nordlippe sicherstellt und zukunftsfähige medizinische Schwerpunkte bildet. Dieses ist offenbar bislang nicht untersucht worden. Dabei sollten keine Scheuklappen aufgesetzt werden. In einem Nachbarkreis konnte die medizinische Versorgung zusammen mit einem kirchlichen Partner neu gestaltet werden, auch hierdurch könnten drohende Insolvenzen abgewendet werden. Das jetzige vorliegende Konzept erfordert auch Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe. Auch hierdurch wird die Kreisumlage, z.B. durch Zinszahlungen, stark belastet, obwohl durch die Konzentration auf Detmold gerade noch die Hälfte der Lipperinnen und Lipper das Klinikum als ihren nähesten Standort haben werden.
Was bedeutet das nun konkret für die Standorte?
Nachdem schon in der Vergangenheit viele Abteilungen von Lemgo nach Detmold verlagert worden oder aufgegeben worden sind, soll nun die Neurologie, Thoraxchirurgie, Gefäßchirurgie, Spezialisierte Pneumologie und die Onkologie nach Detmold verlagert werden. Dafür muss in Detmold massiv angebaut, neu gebaut und umgebaut werden. Dazu sind teure Grundstückskäufe geplant, von denen bisher nicht offen berichtet wurde.
Für Lemgo ist im bisherigen Konzept vorgesehen: Fachklinik für Innere Medizin in einem nicht definiertem Umfang, Geriatrie, ambulante Radiologie, Nuklearmedizin/Strahlentherapie, Neurologische Frühreha, Beatmungsentwöhnung, Krankenhausapotheke.
Hinzu sollen laut dem Kreis Lippe kommen: Hochschulambulanzen, Ärztehaus/Medizinisches Versorgungszentrum.
Weitere genannte Optionen: Hospiz, Tagespflege, Pflegeschule.
Für alle diese ergänzenden Vorschläge, die grundsätzlich begrüßenswert sind, müsste kein Krankenhaus geschlossen werden. Auch füllen sie die vorhandene Gebäudesubstanz nur zu einem Bruchteil. Ein Medizinisches Versorgungszentrum und eine Pflegeschule wurden vom Kreis für Lemgo schon seit langem versprochen.
Bedeutet die Neuausrichtung nicht eine Schwächung des Gesundheitsstandorts Lippe, bzw. Lemgo und Nordlippe?
Aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger in Nordlippe muss dies deutlich bejaht werden. Die Vorgaben zu den Mindestentfernungen zum nächsten Krankenhaus durch Land und Bund sollen ignoriert werden. Die flächenhafte Versorgung des ländlichen Raumes wird weiter ausgedünnt. Viele aktuelle Arbeitnehmer-/innen werden sich umorientieren, da sie nicht am Standort Detmold arbeiten werden. Mehr Lipper Patientinnen und Patienten werden zukünftig andere, nähere Versorgungsmöglichkeiten suchen. Eine zukunftssicherer Aufstellung des Klinikums ist laut Aussage des Geschäftsführers auch bei einer stärkeren Berücksichtigung des Standortes Lemgo aus medizinischer und ökonomischer Sicht machbar
Wie verhält es sich mit den Hochschulambulanzen?
Dieses besondere Angebot von Universitätskliniken kann und sollte unabhängig von einer Schließung in Lemgo angeboten werden, zum Teil ist das bereits jetzt der Fall.
Wie soll das alles funktionieren? Am Standort Detmold fehlt doch der Platz?
Transparenz für die geplanten Neubauten in Detmold ist nicht hergestellt. Insbesondere fehlen Informationen für den offenbar geplanten Erwerb der Finanzämter.
Warum verlagert man eigentlich nicht Abteilungen von Detmold nach Lemgo?
Der Kreis argumentiert hier rein aus ökonomischen Gründen, nicht aus Sicht der medizinischen Versorgung. Dabei sind wichtige Untersuchungen für eine stärkere Berücksichtigung des Standortes Lemgo unter ökonomischer Nachhaltigkeit nicht durchgeführt worden. Diese werden eingefordert.
Das Land schreibt vor, dass innerhalb von 20 Minuten ein Krankenhaus erreicht werden muss. Wie soll das in Zukunft klappen?
Das wird für viele Bürgerinnen und Bürger in Lippe dann nicht mehr klappen. Die Meinungen des Kreises, dass der Zeitfaktor bei der Notfallversorgung medizinisch nicht relevant ist, wird nicht geteilt. Dass der Kreis Lippe hier auf die Krankenhäuser in Nachbarkreisen verweist, zeugt von wenig lippischem Selbstwertbewusstsein, obwohl wir der einwohnerstärkste Kreis in der Umgebung sind (mit der dann dünnsten Krankenhausdichte).
Wird die Notfallversorgung schlechter, wenn es nur noch in Detmold eine Notaufnahme gibt?
Die Notaufnahme in Lemgo wurde leider schon – unter Protest der Städte und Gemeinden – zurückgefahren, so dass die jetzige Versorgungssituation bereits zu wünschen übrig lässt. Medizinisch wünschenswerte wäre eine Basis-Notfallversorgung am Standort Lemgo
Wer soll das alles bezahlen?
Träger des Klinikums ist aktuell der Kreis Lippe. Dessen – aktuell massive – Defizite müssen von den 16 Städten und Gemeinden ausgeglichen werden. Bezahlen werden es also die Lipperinnen und Lipper.
Was geschieht mit dem Personal in Lemgo?
Es soll zwar erfreulicherweise keine Kündigungen geben, jedoch wird eine Transformation auch zwangsläufig einen Fachkräfteverlust mit sich bringen, der offenbar vom Kreis nicht bestritten wird.
Wie geht es jetzt weiter?
Damit keine voreiligen Beschlüsse in der Gesellschafterversammlunggetroffen werden, sollten alle Bürgerinnen und Bürger weiter für eine gute medizinische Versorgung auch im ländlichen lippischen Raum eintreten.
Sollten Kreis und Städte und Gemeinden bei einem solch wichtigen Thema nicht an einem Strang ziehen und zusammenarbeiten?
Ja! Genau das fordern wir nicht erst seit einigen Wochen. Wir wollen einen Dialog über die Zukunft des Klinikstandorts Lippe. Gemeinsam wollen wir Vorteile und Nachteile abwägen und zu gemeinsamen Lösungen kommen. Was wir aber erfahren ist eine Blockadepolitik. Gutachten werden nicht herausgegeben und für gemeinsame Gespräche in der Sache besteht seitens des Landrates kein Interesse. So wird kein Vertrauen erzeugt.
Wir sind uns sicher, nur gemeinsam mit den Mitarbeitern des Klinikums, den niedergelassenen Ärzten, dem Land, dem Kreis und den Städten und Gemeinden kann eine belastbare Zukunftsperspektive für alle Lipperinnen und Lipper entwickelt werden. Hierfür stehen wir immer noch bereit und erwarten im Sinne der Bürgerinnen und Bürger einen offenen Dialog, wie es unsere Räte zuletzt gemeinsam im Juni eingefordert haben.“
Markus Baier, Borris Ortmeier, Friso Veldink und Frank Meier – Bürgermeister