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StadtGrün naturnah – Ein Projekt zur Förderung der Biodiversität und für mehr Natur in der Stadt

BUND Lemgo zieht erste positive Zwischenbilanz

Seit 2021 ist die alte Hansestadt Lemgo Mitglied im Bündnis „Kommunen für Biologische Vielfalt“. Das Bündnis ist ein Zusammenschluss von Städten und Gemeinden, die sich gemeinsam für artenreiche Naturräume im Siedlungsbereich und in der freien Landschaft einsetzen, und damit Biodiversität oder Biologische Vielfalt in den Kommunen fördern möchten.

Zurzeit nimmt die Stadt Lemgo an einem Projekt des Bündnisses teil. Das Projekt „StadtGrün naturnah“ ist ein sogenanntes Label oder Etikett für ökologisches Grünflächenmanagement in Städten und Gemeinden, mit dem das Kommunale Bündnis seit mehreren Jahren das Engagement von Kommunen auszeichnet. Das Projekt bietet einen Anreiz, Grünflächen naturnah zu bewirtschaften und zu gestalten. Der Begriff „Stadtgrün“ im Sinne des Kommunalen Bündnisses umfasst dabei sämtliche Vegetation im städtischen Raum, wie z.B. Parks, Friedhöfe, Spielanlagen, Verkehrsbegleitgrün, Straßenbäume oder Fassaden- und Dachgrün.

Seit September des letzten Jahres ist die Alte Hansestadt Lemgo in einem ca. 12 Monate langen Antragsprozess, der möglicherweise im Herbst 2024 mit einer Preisvergabe abgeschlossen wird. Es winkt eine Gold-, Silber- oder Bronzeplakette.

Der Prozess begann mit einer umfassenden Bestandsaufnahme der Grünflächen in der Stadt, an die sich abschließend eine Maßnahmenplanung anschloss. Eine lokale Arbeitsgruppe (LAG) an dem auch Vertreter der ehrenamtlichen Naturschutzverbände des Bundes für Umwelt, Naturschutz Deutschland (BUND) und des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) teilnahmen, sollte sicherstellen, dass auch außerhalb der Verwaltung liegende Interessen in diesen Prozess einfließen.

Welche Auswirkungen hat nun die Mitgliedschaft der Stadt im Kommunalen Bündnis und welche Bedeutung hat das Projekt StadtGrün naturnah für die Biologische Vielfalt in Lemgo? Anhand des Waldfriedhofes Lüningheide soll dies einmal verdeutlicht werden.

Der Waldfriedhof existiert bereits sein ca. 60 Jahren. Alte Baumbestände, Hecken und Sträucher wechseln sich ab mit offenen Grünflächen und Grabfeldern, und bilden somit einen vielfältigen Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Durch den anhaltenden Trend zur Urnenbestattung werden zunehmend große, sogenannte Vorratsflächen frei. Sie können nun für andere Zwecke, z.B. für die Förderung der Biologischen Vielfalt, umgenutzt und extensiviert werden.

Es war mehr oder weniger Zufall, dass wir bei einem sonntäglichen Spaziergang Anfang Juni auf dem Waldfriedhof Lüningheide eine interessante Beobachtung machten. Und zwar stellten wir in den von Friedhofsverwaltung angelegten Blühstreifen bzw. den noch nicht gemähten Grünlandbereichen des Friedhofes das sogenannte Ampfer-Grünwidderchen fest.

Foto Grünwidderchen

Die Falter schienen relativ frisch geschlüpft zu sein, krabbelten aus den tiefen der Wiesen, um sich zugleich der Nahrungsaufnahme auf den sie umgebenden Blütenpflanzen zuzuwenden. Das Grünwidderchen steht in NRW auf der Roten Liste der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten, und ist dort als gefährdet eingestuft. Die Naturschutzstiftung des BUND NRW und die Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Schmetterlingskundler e.V. haben das Ampfer-Grünwidderchen 2023 zum Schmetterling des Jahres gekürt. Sie wollten damit auf die negativen Folgen der intensiven Landwirtschaft und den Rückgang von artenreichem Grünland aufmerksam machen. Die Raupen des Grünwidderchens fressen ausschließlich an den relativ unscheinbaren sauren Ampferarten, also dem Kleinen Sauerampfer (Rumex acetosella) oder am Wiesen-Sauerampfer (Rumex acetosa). Fehlen diese Futterpflanzen, haben auch die Falter keine Überlebenschancen.

Nachweise dieser Falterartwaren uns bislang in Lemgo nur aus den blütenreichen Wiesen des Staff-Parkes bekannt. Selbst im Naturschutzgebiet Biesterberg, im Süden des Stadtgebietes, scheint das Grpnwidderchen, nach Bestandsaufnahmen der Biologischen Station Lippe aus dem Jahr 2015, ausgestorben zu sein.

Natürlich war durch diese Entdeckung unser Interesse am `Lebensraum Friedhof´ geweckt. Auf nachfolgenden Exkursionen konnten zahlreiche Tag- und Nachtfalterarten, Libellen, und Wildbienen festgestellt werden. Außerdem gelangen Nachweise einzelner Wespenspinnen. Diese Art liebt wärmebegünstigte, störungsarme Standort mit halbhohem, strukturreichem Pflanzenbewuchs wie auf Brach- und Grasflächen, oder auf Wegrändern. Die im Jahr 2001 als Spinne des Jahres ausgezeichnete Art errichtet dort ihr weitaufgespanntes, charakteristisches Netz, in dem sie auf ihre Beute wartet.

Foto Wespenspinne

Neben den Insekten gibt es noch eine Fülle weiterer Tierarten, die diesen Lebensraum besiedeln. So hat der Ortsverband des NABU Lemgo im Juni im Süden des Friedhofes ein Brutpaar eines Neuntöters nachweisen können. Diese Vogelart gehört zu den klassischen Heckenbrüter, die sich hauptsächlich von Insekten ernähren, und die auf die Erhaltung und Entwicklung von extensiv genutzten, halboffenen, gebüschreichen Landschaften angewiesen sind.

An diesen Beispielen wird deutlich, dass für das Vorkommen vieler Tier- und Pflanzenarten bestimmte Lebensraumansprüche erfüllt sein müssen. Erst wenn dies sichergestellt ist, können solche Vorkommen langfristig erhalten werden. Einen entscheidenden Einfluss hierauf hat die Pflege der Flächen. Die gerade auf den Friedhöfen von der Stadt Lemgo umgesetzte extensivere Pflege der Grünlandbereiche erhöht den Blütenanteil auf diesen Flächen beträchtlich, und hat dadurch einen ganz entscheidenden Einfluss auf die Tierwelt. So bedeutet z.B. eine Zunahme von Insekten einen größeren Nahrungsvorrat für den Neuntöter, und damit bessere Überlebenschancen für die Jungvögel.

Diese positiven Entwicklungen auf dem Waldfriedhof zeigen, wie Biologische Vielfalt im Stadtgebiet mit relativ wenig Aufwand entwickelt werden kann. Die Eigenbetriebliche Einrichtung der Städtischen Betriebe der Stadt Lemgo, insbesondere das Friedhofsamt, sind also auf einem guten Weg. Das Projekt `StadtGrün naturnah´ führt auf den Friedhöfen, und dazu gehört auch der Friedhof an der Rintelner Straße, zu mehr Biologischer Vielfalt! Auch wenn manch einem Auge das Ganze ein bisschen ungepflegt erscheint, verbirgt sich dort ein enormes biologisches Potential, das alleine durch die extensive Pflege der Flächen gefördert wird. Und dieses Potential muss weiter genutzt werden!

Es gilt, diese positiven Ansätze aufzugreifen und weiterzuentwickeln.

Und was plant das Friedhofsamt weiter? Es möchte sein Engagement auf dem Waldfriedhof weiter ausbauen. So soll auf den Flächen der ehemaligen Gärtnerei des Waldfriedhofes auf ca. 1000 qm eine Blühfläche entstehen, die etwa zur Hälfte durch eine natürliche Sukzession auf dem vorhandenen Rohboden, und zur anderen Hälfte mit einer regionalen Blühmischung eingesät werden soll. Zusätzlich möchten die Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung die Aufstellung von Bienenkästen ermöglichen.

In diesem Sinne können wir uns alle auf mehr Naturerlebnisse, auch auf den Lemgoer Friedhöfen, freuen. Das Grünwidderchen wird in jedem Fall davon profitieren.

Pressebericht vom BUND Lemgo i.V. Wolfgang Caspersmeier

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Michael Pitt

Michael Pitt betreibt das Portal Mein-Lemgo im dritten Jahr. Er ist in Lemgo geboren und wohnt direkt am Marktplatz.
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