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Differenzen um das Schülerticket: Bürgermeister, SPD und GRÜNE beziehen erneut Stellung

Die Entscheidung des Rats um die Neugestaltung der Vergabemodalitäten von Schülertickets schlägt weiter Wellen. (Wir berichteten) Die Lemgoer Fraktionen der SPD und GRÜNEN weisen in einer Pressemitteilung erneut auf die nach ihrer Meinung falsche Entscheidung des Rats hin und attackieren den Bürgermeister Markus Baier, zeitgleich äußert der sich in den Sozialen Medien mit einer Erklärung zum Mehrheitsbeschluss des Rats.

Folgend veröffentlichen wir unkommentiert die Pressemitteilung der SPD und GRÜNEN, ebenso wie das Transkript des in den Sozialen Medien veröffentlichten Videos des Bürgermeisters samt einer kurzen Stellungnahme.

Grüne und SPD Lemgo: Kostenpflichtige Schülerticket geht auf Kosten von Bürgermeister BaierBürgermeister steht nicht zur eigenen Entscheidung

Lemgo. Groß ist die Kritik am beschlossenen Schülerticket in Lemgo. Verschiedene Medien berichteten in den vergangenen Wochen ausführlich. Nachdem das Erfolgsmodell der kostenlosen Variante im Rat abgewählt wurde, protestieren die Lemgoerinnen und Lemgoer aus den Ortsteilen, denn sie trifft es am härtesten.

Das neue Modell des Schülertickets benachteiligt die Kinder aus den Dörfern. Schülerinnen und Schüler der Kernstadt können sich entscheiden, ob sie die günstige LemgoCard für sieben Euro, das teurere DeutschlandTicket für 12 Euro oder überhaupt kein Ticket in Anspruch nehmen möchten. Im Gegensatz dazu können sich die Schülerinnen und Schüler aus den Ortsteilen lediglich zwischen dem teuren DeutschlandTicket oder keinem Schülerticket. Fakt ist: Sofern nicht gänzlich auf ein Ticket verzichtet wird, zahlen alle Familien einen Beitrag. Die Lemgoerinnen und Lemgoer aus den Ortsteilen den deutlich höheren Betrag.

Zu dieser Kritik äußerte sich der Lemgoer Bürgermeister Markus Baier öffentlich. Er bezog Stellung und erklärte sich. Die Verantwortung für den nun in die öffentliche Kritik geratenen Antrag schob er der Politik zu, schließlich habe der Rat über den Antrag abgestimmt.

Alexander Baer, Fraktionsvorsitzender der SPD-Ratsfraktion erklärt dazu:

„Das kostenlose Schülerticket in Lemgo ist Geschichte. Dafür haben Bürgermeister Markus Baier, die Verwaltung sowie die Fraktionen von CDU, BFL, AFD und FDP gesorgt. Das Ergebnis ist, dass alle Eltern für die Schülertickets zur Kasse gebeten werden – auch jene anspruchsberechtigter Kinder. Das ist ungerecht. Deshalb hatten wir als SPD-Fraktion gemeinsam mit den Grünen nicht für den Vorschlag gestimmt.

Dass der offensichtlich nicht durchdachte und ungerechte Antrag jetzt auf scharfen Gegenwind stößt, war abzusehen und ist berechtigt. Als Bürgermeister hat man jedoch auch die Verantwortung, sich berechtigter Kritik zu stellen. Stattdessen mit der Nebelkerze, dass der Rat nun mal so entschieden habe, in Deckung zu gehen zeugt nicht von dem Verantwortungsbewusstsein, dass ein solches Amt verdient. Der Vorschlag zu diesem ungerechten Modell entspringt schließlich der Verwaltung. Dazu hatte der Bürgermeister bereits in den sozialen Medien, bevor er den Rat über den Vorschlag informierte, geschrieben.“

Fraktionsvorsitzender Dr. Burkhard Pohl:

„Der Ärger der Eltern über die Kosten beim Schülerticket ist verständlich. Die Verantwortung für dieses Desaster liegt beim Bürgermeister selbst.

Er selbst hat beantragt, dass alle Eltern für das Schülerticket zahlen sollen. Es ist völlig unverständlich, dass er angesichts der Elternkritik nun plötzlich versucht, die Schuld auf die Kommunalpolitik abzuschieben.

Zu den Fakten: Wir Grünen wollen zusammen mit der SPD das kostenlose Schülerticket beibehalten. Alle Kinder Lemgos durften seit 2023 kostenlos Bus und Bahn fahren. Es ist ein Erfolgsmodell für Schulen, Kinder und Jugendliche und für den öffentlichen Nahverkehr. Dies bestätigen alle Beteiligten, dies bestätigt die westfalenweite Evaluation. Das kostenlose Ticket gilt außerdem auch für die Schülerinnen und Schüler der Lemgoer Kreisschulen. Deshalb hatten wir im Rat beantragt, das kostenlose Schülerticket auch 2024/25 für die Schülerinnen und Schüler an den Lemgoer Schulen weiterzuführen.

Diese schülerfreundliche Regelung haben der Bürgermeister und die Mehrheit des Rates kurzerhand beendet. Bürgermeister und Verwaltung haben beantragt, dass alle Eltern zahlen, unabhängig vom Wohnort. CDU, BFL, AFD und FDP haben dem mit leichten Änderungen zugestimmt. Die Verwaltung wollte sogar noch mehr Geld für das Ticket bei anspruchsberechtigten Eltern kassieren.

Verantwortung tragen auch die anderen Fraktionen. Es verwundert, dass die CDU bekundet, sie hätte nicht geahnt, dass auch anspruchsberechtigte Kinder zahlen müssten. Die Verwaltung hatte das ausdrücklich bejaht und alle Beschlussvorlagen sehen diese Regelung eindeutig vor. Wir Grünen hatten dies mit der SPD bereits im Schulausschuss kritisiert.

Es gehört zur Demokratie, im Rat unterschiedlicher Meinung zu sein. Man muss dann aber auch mit Kritik an Beschlüssen umgehen. Der Bürgermeister hat sich beim Schülerticket mit seinem Projekt durchgesetzt. Nun, wo Kritik aufflammt, will er davon nichts mehr wissen und schiebt die Verantwortung anderen zu. Wir Grünen halten das für keinen guten Stil im politischen Miteinander.“

Pressemitteilung der SPD und Grünen Fraktion zum Schülerticket

Bürgermeister Markus Baier ärgert sich im Gespräch sichtlich über den seiner Auffassung nach ‚polemischen Stil‘ der Vorwürfe und merkt an:

Der Rat trifft seine Entscheidungen demokratisch, die Stimme jedes Ratsmitgliedes zählt gleich viel, natürlich auch die des Bürgermeisters. Ich halte auch viel von frühzeitiger Transparenz gegenüber der Bürgerin und dem Bürger, wenn eine weitreichende Entscheidung im Rat ansteht. Die inhaltlichen Themen sollten im Vordergrund stehen, nicht parteipolitische Ambitionen. Zu den Inhalten der Kritik möchte ich beispielsweise bemerken, dass der günstigste Eigenanteil 7 Euro beträgt, diesen zahlen die SuS in den Ortsteilen für das D-Ticket. Im Übrigen wollten wir an keiner Stelle einen höheren Eigenanteil von den Anspruchsberechtigten. Daher gerne hier der bereits veröffentlichte Text meines Videos, der sich dem Thema sachlich nähert:

„Liebe Eltern, liebe Schülerinnen und Schüler, liebe interessierte Lemgoerinnen und Lemgoer.
Bei den Schülertickets für die weiterführenden Schulen in städtischer Trägerschaft gab es eine Umstellung, die der Rat mit eindeutiger Mehrheit beschlossen hat.
Wie waren die alternativen Anträge?
Der erste Antrag war, den bisherigen Modellversuch, das für die Eltern kostenlose Westfalenticket zu nutzen, weiterzuführen. Das hätte für uns Lemgoerinnen und Lemgoer Kosten von 1,3 Millionen Euro jährlich verursacht, noch einmal 100000 Euro mehr als im letzten Jahr. Das Westfalenticket wurde von den Antragstellern als Erfolgsmodell bezeichnet. Ein sehr teures Modell, wie ich erläutert habe. Es ist durch die Einführung des Deutschlandtickets unattraktiv im Vergleich geworden. Darum ist das Westfalenticket gescheitert. Nur noch zwei der 17 Kommunen inklusive Kreis im Kreis Lippe halten aktuell noch daran fest.
Der zweite, vom Rat beschlossene Antrag, sieht ein Deutschlandticket für 7 Euro Zuzahlung für die anspruchsberechtigten Schüler vor. Das sind die, die weit weg von der Schule wohnen. Die nicht anspruchsberechtigten Schüler können das Deutschlandticket für 12 Euro erwerben. Alternativ können sie ein Lemgoticket für 7 Euro erwerben. Modelle mit Deutschlandticket sind im Kreis Lippe jetzt am weitesten verbreitet, 15 Kommunen setzten direkt oder indirekt über Nachbarkommunen darauf. Eine Zuzahlung für Anspruchsberechtigte, die das Schülerbeförderungsgesetz so vorsieht, verlangt auch noch die Stadt Oerlinghausen.
Wie sieht es noch weiter im Kreis Lippe aus?
Bei den Nicht-Anspruchsberechtigten haben mit Detmold, Bad Salzuflen, Lage, Lemgo und Horn-Bad Meinberg Angebote für die Jugendlichen, überregional gültige Tickets für einen günstigen Betrag erwerben zu können. Wir haben dabei in Lemgo hier mit das attraktivste Angebot, das normale landesweite Angebot für das Deutschlandticket liegt bei 29 Euro im Monat. Neben dem Kreis, der bekanntlich anders finanziert ist und die Kreisumlage von den Städten und Gemeinden bekommt, leisten sich nur noch Leopoldshöhe und das Kalletal, allerdings nur für das Westfalenticket, ein gebührenfreies Angebot.
Warum ist in Lemgo so entschieden worden?
Dieses sehr gute und bezahlbare Angebot für den ÖPNV für alle Schülerinnen und Schüler unabhängig vom Wohnort, das war für den Rat wichtig. Weil jetzt ein zusätzliches, sehr günstiges Angebot in Form des beliebten Deutschlandtickets angeboten wird, hat man sich für die Zuzahlung entschieden. Es waren keine Mehrheiten erkennbar für eine „0“ Variante, auch wenn zwei Parteien dies durchaus für richtig empfunden hätten, das Thema Schülerbeförderung von der Freizeitbeförderung zu trennen.
Das Westfalenticket hätte uns Lemgoer Familien mit 700000 Euro im Jahr mehr belastet, als was das Gesetz vorsieht. Wir Lemgoer Familien müssten das alles mit unseren Steuern und Gebühren bezahlen. Es wurde von der Mehrheit des Rates als nicht verantwortbar gesehen.
An den nicht Anspruchsberechtigten sieht man jetzt, sozusagen eine Evaluation in Echtzeit, wie groß der Wunsch der Eltern für die Mobilität ihrer Kinder tatsächlich ist. 40 % haben gar keinen Bedarf. Das kann ich verstehen, insbesondere bei jüngeren Kindern. Das wären also beim Westfalenticket Ticket allein 260000 Euro gewesen, die vollkommen ungenutzt verschenkt worden wären und von uns allen Lemgoer Familien bezahlt worden wären.
Bisher war es umsonst, jetzt kostet es etwas – warum?
Das Schülerbeförderungsgesetz sah schon immer die Möglichkeit der Beteiligung der Eltern an den Fahrtkosten vor. Für Eltern, die sich das nicht leisten können, gab es früher und gibt es jetzt auch schon immer Ausnahmen, das ist die soziale Komponente. Es entspricht also nicht ganz der Wahrheit, wenn behauptet wird, dass alle Familien etwas zahlen müssen. Sowohl die Wahlmöglichkeit als auch die soziale Komponente werden hierbei ausgeblendet, ebenso die vielen Familien in anderen Lebensverhältnissen wie Kindern im Kindergarten, Grundschulen oder im Studium.
Es gab Kritik aus Dörfern – worum geht es?
Wir haben als Stadt etwa ein Dutzend Briefe bekommen, die beklagen, dass sie die Tickets auf dem Dorf nicht benötigen, da die Wege mit dem Auto zurückgelegt werden. Eine günstigere Lösung wurde als Alternative von diesem Teil der Eltern gewünscht. Ich kann mir das persönlich gut vorstellen, das jetzt beschlossene Modell noch zu optimieren, etwa wie vorgeschlagen mit einem Lemgo-Ticket für die Anspruchsberechtigten für 2 Euro im Monat. Das wäre dann der gleiche Preisabstand wie bei den Nicht-Anspruchsberechtigten. Aber das muss der Rat entscheiden und vorher auch noch rechtlich geprüft werden, ob das zulässig ist. Ich hoffe sehr, dass die komplizierten politischen Mehrheiten in diesem Fall eine sachliche Überprüfung und gegebenenfalls eine Verbesserungsmöglichkeit zulassen.
Dann wäre allen Lemgoer Schülerinnen und Schülern, egal wo sie im Stadtgebiet wohnen, noch mehr bedarfsgerecht geholfen und die Geldbeutel einiger Eltern noch etwas entlastet.
Lassen Sie uns das Thema weiter sachlich und an den Bedürfnissen und Interessen aller Lemgoerinnen und Lemgoer orientiert betrachten.“

Transkript Video Markus Baier
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