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Mörderisches Lemgo – True Crime und Fiktion in der Hansestadt

– Ein Erfahrungsbericht von unserem Gastautor Alex –

Von Bandenmorden in der frühen Neuzeit über die Hexenverfolgung und ihre Märchen bis hin zur Frage, warum Justitia in Lemgo nie eine Augenbinde trägt – all das stand beim kriminalistischen Stadtspaziergang am gestrigen Samstag auf dem Programm.

Start am Hexenbürgermeisterhaus

Am Samstag, den 30. August 2025, luden Gästeführer Werner Kuloge und Krimiautor Christian Jaschinski erneut zu ihrem kriminalistischen Stadtspaziergang ‚Mörderisches Lemgo‘ ein. Seit 2017 bieten sie diese Spaziergänge durch die Hansestadt an.

Um 16 Uhr trafen sich die rund 40 Teilnehmenden vor dem Hexenbürgermeisterhaus, nach eingehender Begrüßung besichtigten die Teilnehmenden einige Exponate. Vor allem die Instrumente der ‚peinlichen Frage‘, heute auch als Folterinstrumente bekannt, waren dabei von Bedeutung. Danach konnte man sich lebhaft im Laufe des Spaziergangs die Ängste der Frauen und Männer vorstellen, welche der Hexerei verdächtigt wurden. „Einen Folterkeller hat es im Hexenbürgermeisterhaus jedoch nie gegeben!“ betont Kuloge.

Kuloge ist ‚Beutelipper‘ und begeisterte sich nach seinem Umzug, sofort für die kleine Hansestadt Lemgo. Seit 2006 führt der studierte Wirtschaftsmathematiker die Gäste der Hansestadt Lemgo. Seine Begeisterung für die Stadt möchte er weitergeben. Nach jahrelanger Erfahrung als Gästeführer kennt er auch die dunklen Geschichten der Stadt.

Ein Bandenmord 1773

Vor der Kirche St. Marien ging die Führung weiter. Kuloge erzählte die Geschichte eines wahren Mordes in der Stadt. In den 1770er-Jahren war die Region Lippe stark von Bandenkriminalität betroffen. Die Behörden führten Listen mit unnatürlichen Todesfällen – darunter auch Mord. Am Pfingstmorgen 1773 fand man den Bäcker und Brauer Johann Lorenz Koch, seine Frau und die Dienstmagd ermordet auf. Zum Verdächtigen wurde ein entflohener Häftling aus dem Zuchthaus Celle, an den sich Bürgermeister Helwig erinnerte. Als Vorsitzender der Gerichtskommission war er zugleich für die Verhöre in Lemgo zuständig. Er hatte zuvor eine hannoversche Anzeige gesehen, in der nach dem Flüchtigen gefahndet wurde. Der Mann, Johann Christoph Krop, wurde in Herford gefasst und gestand die Tat – nachdem er einige Zeit in einem Schließkasten gefoltert worden war. Dieser „Kropsche Kasten“ ist bis heute im Hexenbürgermeisterhaus zu sehen. Krop sagte aus, Koch sei in Bandengeschäfte verwickelt gewesen und er selbst habe im Auftrag dieser Bande gehandelt. Verurteilt zum Tode wurde Krop schließlich an der Stelle, an der heute das Lemgoer Klinikum steht, gerädert.

Die erste Lesung

Die Führung führte in die Kirche St. Marien, wo der Autor Christian Jaschinski aus seinem Buch „Mörderisches Lipperland“ liest. Jaschinski ist gebürtiger Lemgoer, er ist Krimi-Autor, Musiker und Lehrer des Lemgoer Hanse-Berufskolleg. Seine Geschichten schreibt er nur über Orte, an denen er sich auskennt, sagt er. Sein Buch „Mörderisches Lipperland“ ist ein krimineller Freizeitführer. Erdachte Kriminalfälle im Lipperland führen den Leser zu besonderen lippischen Orten, Denkmälern und Naturplätzen. Diese sind mit Zahlen versehen, im hinteren Teil des Buches befindet sich dann ein Nachschlagewerk, wo man über die Zahl den passenden Ort findet und sich über diesen informieren kann.

Jaschinski liest den ersten Abschnitt. Das Besondere: Genau in dieser Kirche spielt auch ein Mordfall aus Jaschinskis Buch und auch hier ist von einer Bande die Rede, welche auf ihren Harleys vor der Kirche steht und auf den passenden Moment wartet, um die gerade laufende Hochzeit eines Polizisten zu stören. Der Gärtner, der im passenden Moment die Triebe abschneidet, wartet auf seinen Moment. „Ich gebe meinen Charakteren gerne solche Namen.“ sagt Jaschinski lachend über den Namen „der Gärtner“.

Justitia ohne Augenbinde

Gemeinsam kehrt die Gruppe zum Hexenbürgermeisterhaus zurück. Kuloge erzählt von der Kaufmanns-Familie Cothmann, welche einen großen Einfluss auf die Hansestadt hatte. An der Fassade des Hexenbürgermeisterhauses, das der Familie gehört, gibt es eine Auffälligkeit, die Darstellung der Justitia trägt keine Augenbinde. Justitia trägt eigentlich eine Augenbinde, sie ist blind. Jeder soll von ihr und dem Recht, das sie vertritt, gleichbehandelt werden, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht oder sozialem Stand der rechtssuchenden Person. Die Justitia ohne Augenbinde steht hingegen für ein genaues Hinsehen auf den Fall, eine Suche nach Indizien, Hinweisen und Beweisen. Außerdem sollten sich die Kaufleute, die das Haus betraten, sicher sein, dass sie hier nicht über den Tisch gezogen wurden.

Die Hexenverfolgung

An den Bega-Terrassen geht es weiter mit einer Lesung von Jaschinski, dieses Mal geht es um einen anderen Fall, es wird ein junger Mann vorgestellt, welcher zum wichtigsten Lemgoer Ereignis des Jahres in seine Heimatstadt zurückkehrt, nämlich Kläschen. Nach einigen Bieren und Glühwein muss er dem Ruf der Natur folgen und begibt sich dafür, vorbei am Musikexpress an eine stille Ecke des Ententeichs. Dort erwartet ihn eine alte Märchen-Figur, eine Frau, die die Hexenverfolgung nicht überlebt hätte. Denn auch sie bekommt ihren Teil in Jaschinskis Kriminalfall. Er springt zeitlich zwischen den Jahren der frühen Neuzeit und der Gegenwart. Man hört die Geschichte einer Familie, welche betroffen ist, von den Anklagen der Hexerei.

Eine Führung durch die schöne alte Hansestadt, in welcher es um Kriminalfälle geht, kommt nicht ohne sie aus: Die Hexenverfolgung. Gemeinsam wird die Gruppe durch den Abteigarten geführt dort, wo früher einmal der sogenannte „Hexenturm“ stand. Kuloge erklärt: Auch die Hexenverfolgung hatte in Deutschland eine Rechtsgrundlage, die Constitutio Criminalis Carolina von Kaiser Karl V. In §44 ist dort geregelt, was als Hexerei angeklagt werden darf. Wichtig hier ist zu erwähnen, dass Beklaffung, also Gerüchte oder Anschuldigungen ausreichten, um angeklagt zu werden. Die Constitutio Criminalis Carolina erlaubte die peinliche Befragung bei Verdacht auf Hexerei. Peinliche Befragung bedeutete Folter. Gestand eine Angeklagte nicht sofort ihre Schuld, so wurden ihr die verschiedenen Werkzeuge zur peinlichen Befragung gezeigt und vorgestellt. Führte dies immer noch nicht zu einem Geständnis, so wurden die Instrumente angelegt und genutzt. Überstand die Angeklagte das auch ohne Geständnis, so gab es die Wasserprobe. Am Löschteich gegenüber der Lemgoer Feuerwehr erklärt Kuloge das Prozedere, welches die Wasserprobe mit sich brachte. Außerdem erläutert er: „Bei der Wasserprobe durfte die angeklagte Person nicht sterben, das wäre ein Verfahrensfehler gewesen.“

Finale zur Nikolai

Auf dem Weg zur Kirche St. Nikolai erzählt Kuloge von einem weiteren Fall, bei dem ein Mann als Hexerei-Meister beschuldigt und am Ende zum Tode verurteilt wurde. Der Bäcker hatte seine Nachbarin lauthals vor ihrer Haustür beleidigt. Daraufhin sagte sie zu ihm: wenn du mich wirklich für das hältst, als was du mich beschuldigst, dann bist du ein Hexenmeister! Der Bäcker nahm seine Anschuldigung nicht zurück – und damit war der Grundstein für eine Verurteilung gelegt.

Zum Abschluss las Jaschinski vor der Kirche St. Nikolai ein letztes Mal aus seinem Buch. Die Zuhörenden lernten die Strafrichterin Tara Wolf kennen, die zusammen mit dem Paläontologen Peter Falke und der Hackerin Lou Ritter das Ermittlertrio bildet, das die Fälle im ‚Mörderischen Lipperland‘ löst.

Termine und weitere Angebote

Der nächste Termin von „Mörderisches Lemgo“ findet am 27. September 2025 statt. Im kommenden Jahr sind wieder vier weitere Termine geplant. Interessierte können den Spaziergang des Duos auch für Geburtstage oder Firmenevents buchen.

Gästeführer Werner Kuloge bietet darüber hinaus eine Vielzahl weiterer Führungen durch die Hansestadt Lemgo und die Stadt Blomberg an. Alle Informationen und Buchungsmöglichkeiten finden Sie auf seiner Website: lemgotour.de.

Krimiautor Christian Jaschinski veröffentlicht 2025 den zweiten Teil seiner Thriller-Reihe „Starck“. 2026 erscheint bereits der dritte Teil. Bis zum Erscheinen des zweiten Teils bietet Jaschinski Lesungen des ersten Teils an, begleitet von Klaviermusik.

  • 30. Oktober 2025 – Stadtbücherei Blomberg
  • 14. November 2025 – Landhaus Kopenhagen, inklusive Menü beim „Crime & Dine“
  • 2. Dezember 2025 – Premiere seines neuen Buches „Starck und die zweite Frau“ in der Stadtbibliothek Detmold

Weitere Informationen zu den Veranstaltungen finden Sie auf seiner Website: christian-jaschinski.de

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Michael Pitt

Michael Pitt betreibt das Portal Mein-Lemgo im dritten Jahr. Er ist in Lemgo geboren und wohnt direkt am Marktplatz.
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