T&R Lemgo
Kultur

Die Zuhörer in der Stadtbücherei waren begeistert und ‚Ganz Ohr‘

Lemgo. Volles Haus – so hieß es am Freitagabend wieder einmal in der Lemgoer Stadtbücherei. Passend zum Ende der Frankfurter Buchmesse und zum „Tag der Bibliotheken“ am 24. Oktober hatte der Förderverein der Bücherei zum „Ganz Ohr sein“ geladen – mit vier vortragenden Gästen, die aus dem Abend ein Erlebnis machten.

„Da möchten wir gern mehr von wissen“ – so einhellig war die Meinung der Zuhörenden bei „Ganz Ohr sein“ selten. Egal, ob beim jungen Stipendiaten, beim Professor oder bei der Gleichstellungs-beauftragten: wie oder wo erfährt man mehr, wie geht es weiter, wurde gefragt und natürlich auch beantwortet.

Den Auftakt machte Nils Levin Sehnert. Seit Mai lebt er im Rahmen des Stipendiums „Junge Kunst“ im Atelierhaus in der Echternstraße. Studiert hat er unter anderem in Düsseldorf, einmal schon war er im Eichenmüllerhaus vertreten. Schon die Tatsache, dass er an der Finalrunde hier in Lemgo teilnehmen konnte, war für ihn eine große Auszeichnung, umso mehr dann die Entscheidung zu seinen Gunsten. Von der Graffiti kommend, beschäftigt er sich jetzt zunehmen mit der Drei-dimensionalität, dem Relief in all seinen Ausprägungen. Ein Beispiel hatte er dabei: ein Pflasterprofil mit Wurzelrest, als Wachsabdruck aufgenommen im Wortsinn in der „Breiten Straße“ in Lemgo, also auch eine Form von „street art“. Noch nicht endgültig fertiggestellt, zu sehen dann aber im März im Eichenmüllerhaus. Seine Leseempfehlung: Florian Schwinn, Rettet den Boden. Das Buch ist ein flammendes Plädoyer für einen sorgsamen Umgang mit dem Boden, dem Humus, aus dem alles entsteht. Und für den Erhalt seiner natürlichen Bewohner, die das möglich machen . Stellvertretend stellte Sehnert den liebenswerten Maulwurf vor. Wo der lebt und sich ernähren kann, lebt auch der Boden und kann Nahrung erzeugen…

Nils Levin Sehnert mit dem Relief „Breite Straße“

Was macht ein Doktor der Philosophie an einer technischen Hochschule? Wer spricht da miteinander am Institut für Wissenschaftsdialog an der TH OWL? Was bedeutet das konkret? Elisabeth Webel, die wie seit vielen Jahren schon die Moderation übernommen hatte, fragte Professor Dr. Josef Löffl auch im Namen des Publikums. Und der gab dann eine ebenso spannende, wie kurzweilige Einführung in seine Arbeit und die des Instituts. Es ist, stark verkürzt eine Frage nach unserer Zukunft. Wie soll sie aussehen, von wem gestaltet werden? Es hilft, wenn wir den Begriff „Technik“ allgemeiner sehen, also nicht erst das Wirken von Hebeln, Rädern. Allein schon die Umwandlung der Idee, des Gedankens in die Wirklichkeit, ist Technik, also die Frage „Wie mache ich das?“. In unserem digitalen Zeitalter stellt sich die Frage noch dringender: was wollen wir wirklich, welche Ziele werden uns von Algorithmen nur vorgegaukelt? Immer aber auch gefragt: cui bono? Können wir aus der Vergangenheit lernen? Alles Fragen, die in der Kürze der Zeit bloß angerissen werden konnten. Also wünschte man sich hier ebenfalls eine Fortsetzung, die kommen soll – möglichst wieder in der Stadtbücherei. – Wenn man zusammenhält zugunsten einer großen, gemeinschaftlichen, ehrbaren Aufgabe, dann lassen sich auch schwierigste Situationen, selbst augenscheinlich ausweglose, meistern. Im „Herr der Ringe“ von J.R.R. Tolkien findet man diesen Mut machenden Zusammenhalt, so Professor Löffl. Und er empfiehlt unbedingt das Buch; es ist vielfältiger und spannender als die Verfilmung.

Mutiger werden und damit weitermachen – das sind Aufgaben und Ziele, die sich die Gleichstellungs-beauftragte der Stadt Lemgo, Christiane Osterhage gesetzt hat. 1989 wurde in Lemgo eine Gleichstellungskommission berufen; nicht alle fanden das nötig. Seit nunmehr 25 Jahren gibt es das Gleichstellungsgesetzt in NRW und damit ist ein breiter Themenrahmen auf gesetzliche Basis gestellt – und immer noch gibt es viel zu tun. Deshalb gehört es nicht zuletzt zu den Aufgaben innerhalb der Stabstelle, den Istzustand zu beschreiben und von da aus Forderung und Förderung zu ermitteln. Ein entsprechender Maßnahmenkatalog wie der Gleichstellungsplan wird erarbeitet; interne und externe Informationsveranstaltungen werden organisiert oder beworben, Kontakte zu frauenspezifischen Gruppen aufgebaut und vertieft. Dazu gehören dann auch Beteiligungen an Veranstaltungen wie „One Billion Rising“ am 14. Februar, dem Internationalen Frauentag am 8. März oder wie jetzt am 25. November, dem „Internationalen Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen“. – Selma Lagerlöf erhielt als erste Frau den Literatur-Nobelpreis, wurde als erste Frau in die Schwedische Akademie aufgenommen und gilt als herausragende Pazifistin, Politikerin und Frauenrechtlerin. Ihr Buch „Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen“ hat Christiane Osterhabe aber schon lange vor dem Wissen um die Autorin begeistert.

Was gibt’s Neues im Bücherherbst, was war los auf der Buchmesse in Frankfurt?

Axel Koch, Leiter der Stadtbücherei, versuchte eine kleine Einschätzung. Die Verleihung des jährlichen Buchpreises wurde von einem Eklat überschattet, zur Freude des Feuilletons: einer der Nominierten, Clemens Meyer, war mit der Preisverleihung an Martina Hefter („Hey guten Morgen, wie geht es Dir“) überhaupt nicht einverstanden. Der Preis hätte seinem Roman („Die Projektoren“) zugestanden und – noch wichtiger – das Preisgeld hätte er viel dringender gebraucht. Sei‘s drum. Es gibt ja noch andere wichtige Bücher: Salman Rushdies „Knife“ zum Beispiel. Nach den „Satanischen Versen“ war Rushdie von der Fatwa – quasi einer religiösen Morderlaubnis – bedroht, im August 2022 wurde der Mordversuch mit einem Messer vollzogen. Rushdie überlebt schwerverletzt, berichtet in seinem Buch von dem Attentat und der Zeit danach. Zwei Sachbücher noch zum Thema „In welcher Welt leben wir eigentlich?“ (Julia Friedrichs, Crazy Rich; Christian Stöcker, Männer die die Welt verbrennen) und drei Bücher aus dem Bereich der Belletristik (Peter Huth, Der Honigmann; Sally Rooney, Intermezzo; Markus Thielemann, Im Norden rollt ein Donner) rundeten die Buchvorstellung und den Abend ab. – Alle vorgestellten Bücher sind in der Stadtbücherei ausleihbar, die Bücherliste liegt dort aus.

Text: Berthold Jauch-Held für Freunde und Förderer der Stadtbücherei Lemgo e.V.

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Michael Pitt

Michael Pitt betreibt das Portal Mein-Lemgo im dritten Jahr. Er ist in Lemgo geboren und wohnt direkt am Marktplatz.
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